Pop

Pop: Hofnarren von Albion

Brit-Pop in Österreich. Babyshambles vs. Art Brut.

"Stay away from Pete Doherty, he is a bad man", warnte "Art-Brut"-Stim me Eddie Argos am Freitag im Flex. Ein eitler Rat. Und doch: 24 Stunden später dachten Dohertys eigene Bandkollegen wohl ähnlich, als sie allein auf der Bühne einer Grazer Mehrzweckhalle standen. "Babyshambles"-Sänger Doherty war - welch D©j -vu - wieder einmal verhindert. Ein angeblicher neuerlicher Drogenfund, ein Polizei-Verhör, ein Lied, so vertraut, das es wohl bald zu leiern beginnt.

Denn was bleibt von der aufregenden Unsicherheit, den ebenso poetisch skizzierten wie unhaltbaren Lebensentwürfen? Eine weitere banale private Tragödie und ein musikalisch wertloser, kurzer Rumpf-Auftritt, dem das zarte "Albion" zur Mitschunkel-Hymne gerät und der besser ohne das - bereits auf dem Album "Down In Albion" verstörende - Reggae-Duett ("Pentonville") mit Dohertys Ex-Zellengenossen General Santana ausgekommen wäre. Da mag manch einer im jugendlichen Publikum noch so treuherzig schwärmen (die Spannung! der Mythos!), sich noch so hartnäckig an der schwachen Aura des Abwesenden wärmen: Der kranke König von Albion, wie Doherty seine englische Gegenwelt nennt, bleibt fern und hat seine Hofnarren geschickt. Manchmal ist das Leben so.

Und dem begegnet man hat am besten mit Contenance und Ironie. Wobei Eddie Argos, Hofnarr von eigenen Gnaden, Vorbild sein kann. Wo Doherty allegorisch leidet, lacht sein Landsmann dem autobiografischen Unbill dreist ins Gesicht und klebt noch Ausrufezeichen dazu. Impotent, schlechtes Wochenende gehabt, ein Auftritt bei der Präsentation einer Spielkonsole (Sommer 2005 in Wien) - na und? Wer sagt, dass man nicht mit künstlerischem Anspruch quietschbunten Zynismus frönen darf? "Art Brut" heißt so viel wie rohe, unverfälschte Kunst (z. B. von Geisteskranken) und steht im Fall des englisch-deutschen Quintetts für akustische wie inhaltliche Punk-Attitüde: Die Selbstdarstellungs-Hymne "Formed a Band" kommt mit den nötigsten Akkorden aus und vibriert dabei mit einer Euphorie, die sich von der Ironie nicht an die Leine nehmen lässt. Wobei Argos, mehr Conf©rencier denn Sänger, gewinnt, wenn er seine Texte (witzig: "Rusted Guns of Milan") auch schauspielerisch inszeniert.

Kleine Posen - Arm hoch und "Ready, Art Brut?" -, Improvisationen: So müsste es aussehen, würde Oscar Wilde, der mit Argos sowohl eine gewisse optische Ähnlichkeit als auch den Hang zum Repetitiven teilt, in einem anderen Leben auf der Bühne stehen und "Modern Art/Makes me/Want to rock out!!!" rufen und ins Scheinwerferlicht heulen. Obwohl man die sichtbaren Socken und das Loch im Hemd abziehen müsste.

Wer sich übrigens gefragt hat, wer Enrique Gatti ist, dem Argos viele Lieder widmete: Der Italiener wird im "Big Book of Losers" als schlechtester Terrorist aller Zeiten geführt. An so einer Geschichte konnte Argos nicht vorbei. Dass Art Brut nichts auslassen, trotzdem nicht in die Kategorie "Spaß-Rocker" fallen, darf als Kunst gelten. Gerade im Pop-Business, wo das Unglück König ist, weil wir dort den Hort der Authentizität vermuten. Vielleicht zu Unrecht, weil Lachen aufrichtiger sein kann. Manchmal zumindest ist das so im Leben.

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