Russland will weltpolitisch mehr Einfluss. Im Nahen Osten, auf dem Westbalkan, in Südamerika und Afrika verfolgt es eine interessengeleitete Außenpolitik. Den USA wirft es Konfrontation vor, doch Kompromisse mag es selbst nicht.
Moskau. Einmal im Jahr muss der Chef ran. Maria Sacharowa, die schrille Stimme des Moskauer Außenministeriums, die für gewöhnlich die wöchentlichen Briefings für Journalisten leitet, darf an diesem Tag nur die Fragen entgegennehmen. Schwer auszumachen, ob Außenminister Sergej Lawrow seinen Auftritt vor dem Moskauer Pressekorps genießt oder genervt ist – bei seiner Jahrespressekonferenz strahlt er knapp zweieinhalb Stunden lang jene Sprödheit aus, die man von ihm gewohnt ist.
Hitzige rhetorische Rundumschläge erlaubte sich Lawrow gestern keine, sondern eher kalkulierte Sticheleien – vor allem gegen die USA, Moskaus liebsten Feind.
Russland beansprucht im internationalen System wieder eine Führungsrolle. 2018 war ein Jahr, in dem es Moskau gelang, diesen Anspruch in Teilen in die Tat umzusetzen. Beispiel Naher Osten: Mit der Türkei sind die Beziehungen wieder voll hergestellt, der Iran ist ein enger Verbündeter, und in Syrien sitzt Moskau stets mit am Verhandlungstisch – von der Verfassungsfrage angefangen bis hin zum Schicksal der Kurden.
Gerade in der Ära eines US-Präsidenten Donald Trump, der zwar medienwirksam Handelskriege beginnt, sich aber für die kleinteilige und mühsame Diplomatie nicht besonders interessiert, ist international Bewegungsspielraum frei geworden für Moskau. Und es lässt keine Zweifel aufkommen, dass es diesen in den kommenden Jahren ausfüllen will.