Drogengelder für den Präsidenten

Im Zeugenstand: Alex Cifuentes (2. v. l.) belastet Joaquín „El Chapo“ Guzmán (r.).
Im Zeugenstand: Alex Cifuentes (2. v. l.) belastet Joaquín „El Chapo“ Guzmán (r.).REUTERS
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Mexikos früheres Staatsoberhaupt Peña Nieto ließ sich vom mächtigen Drogenboss El Chapo Millionen zahlen. Das sagt ein Zeuge im Prozess gegen den Kartellchef aus.

New York/Wien. Kaum war Enrique Peña Nieto Ende 2012 zum Präsident Mexikos gewählt worden, nahm der damals 46-Jährige Kontakt zu einem der mächtigsten Männer in seinem Land auf: zu Joaquín Guzmán Loera, auch El Chapo – der Kurze – genannt. El Chapo war der Boss des einflussreichen Sinaloa-Kartells, das den Drogenhandel von Mexiko in die USA jahrzehntelang dominierte und damit Milliarden scheffelte.

250 Millionen US-Dollar soll der frisch gewählte Präsident gefordert haben, dann werde er die Jagd auf den in Mexiko und in den USA meistgesuchten Drogenboss einstellen, der sich damals in den Wäldern Sinaloas vor der Polizei versteckt hielt. El Chapo habe ein Gegenoffert gestellt und Peña Nieto 100 Millionen Dollar angeboten. So seien die beiden Männer ins Geschäft gekommen.

Mit diesen schwerwiegenden Anschuldigungen bis in die höchste politische Ebene Mexikos ging ein weiterer Prozesstag im Zimmer 8D im Federal District Court in Brooklyn zu Ende. Seit Anfang November muss sich der 61-jährige einstige Drogenboss unter anderem wegen Suchtgiftschmuggels, Waffenhandels und Geldwäsche verantworten. Die Vorwürfe umfassen ein Vierteljahrhundert. El Chapo, der auf nicht schuldig plädiert, droht lebenslange Haft. 16 Zeugen werden in dem bis Anfang März anberaumten Prozess insgesamt angehört, darunter auch Alex Cifuentes, der über die Verbindung El Chapos bis in höchste politische Kreise berichtete.

Cifuentes, ein Kolumbianer, galt in den Jahren 2007 bis 2013 als die „rechte und die linke Hand“ El Chapos. Im Oktober 2012 – Peña Nietos Angelobung zum Staatsoberhaupt stand unmittelbar bevor – überbrachte eine Frau namens Madre Maria dem Präsidenten das Geld in Mexiko City. Die Botschaft Peña Nietos an El Chapo sei gewesen, dass er von nun an sicher sei. Peña Nieto, dessen Sprecher sämtliche Vorwürfe schon vor Prozessbeginn als falsch zurückwies, war bis November 2018 im Amt. Auch sein Vorgänger Felipe Calderon soll Bestechungsgelder angenommen haben – von einer mit dem Sinaloa-Kartell rivalisierenden Gang.

Die Dienste des Militärs, von Lokalpolitikern und Polizisten soll der Drogenboss gekauft haben. Detailliert berichtete Cifuentes über die Bundespolizei, die nicht nur beide Augen zugedrückt, sondern sich selbst am Drogenhandel beteiligt habe. Dem Militär habe El Chapo zumindest zweimal zwischen zehn und zwölf Millionen Dollar gezahlt, für Operationen gegen das verfeindete Beltrán-Leyva-Kartell.

El Chapo ließ alle überwachen

In den vergangenen Wochen haben mehrere Zeugen brisantes Insider-Wissen über Drogenrouten, Schmiergeldzahlungen und über den Boss der Bosse selbst, seine Vorlieben und Neurosen, ausgeplaudert. Obwohl er auf der Flucht war, sei El Chapos Leben in den Wäldern der Sierra Madre recht komfortabel gewesen, erzählt Alex Cifuentes im Zeugenstand. Der Drogenboss unterhielt mehrere Häuser in der Gegend, samt Dienstpersonal und Sicherheitsleuten. Einen IT-Experten beauftragte er, Telefone und Computer seiner engsten Vertrauten zu überwachen. Dieser IT-Experte lief schließlich aber zum FBI über und lieferte wichtige Informationen für den derzeitigen Prozess. Trotz hoher Sicherheitsvorkehrungen sei er immer wieder von verschiedenen Geliebten in seinem Waldversteck besucht worden – seine junge Ehefrau, Emma Coronel Aispuro, kam selten vorbei. Wenn doch, ließ er ihr Lieblingsgericht zubereiten, „enchiladas suizas“ – auch das war Thema der Zeugenbefragung der letzten Tage. 2016 wurde El Chapo geschnappt, nachdem er dem Schauspieler Sean Penn ein Interview gegeben hatte, und im Jänner 2017 an die USA ausgeliefert.

„Es geht ihm nicht gut“

Die ehemalige Schönheitskönigin, seit ihrem 18. Geburtstag mit dem Drogenboss verheiratet, ist bei fast jedem Prozesstag dabei. Im Verhandlungssaal wirft sie – perfekt gestylt – ihrem Mann Kusshändchen zu. Hin und wieder bringt sie die gemeinsamen siebenjährigen Zwillingstöchter mit nach New York. Nie habe sie etwas Merkwürdiges an ihrem Mann bemerkt, sagt sie in den zahlreichen Interviews, die sie seit dem Prozessbeginn gegeben hat. Sie selbst habe in ihrem Leben nie etwas Illegales getan. Und überhaupt sei ihr Mann „sehr bescheiden“, in Einzelhaft gehe es ihm nicht gut. Die Auftritte der dunkelhaarigen Schönheit dienen eher dazu, Stimmung für den Angeklagten zu machen, meinen Prozessbeobachter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2019)

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