Kassenfusion bleibt offen: Vorrang für einheitliche Leistungen

Sozialminister Alois Stöger (SPÖ), Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) und Elias Mossialos (London School of Economics)
Sozialminister Alois Stöger (SPÖ), Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) und Elias Mossialos (London School of Economics)APA/HELMUT FOHRINGER
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Die Effizienzstudie zu den Sozialversicherungen sieht vier Modelle für mögliche Zusammenlegungen vor. Die SPÖ-Minister Stöger und Rendi-Wagner gehen zuerst aber eine Harmonisierung des Leistungskatalogs an.

Seit Donnerstagvormittag gibt es die 1400 Seiten starke Studie der London School of Economics zur Effizienz und Zukunft der österreichischen Sozialversicherung. Das Papier, das der "Presse" vorliegt, beinhaltet vier Modelle für eine Zusammenlegung der 21 Versicherungsträger und überlässt der Politik die Entscheidung. Die Verwaltungskosten werden im internationalen Vergleich als niedrig eingestuft. Sozialminister Alois Stöger und Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (beide SPÖ) konzentrieren sich aber vorerst nicht auf Fusionen, sondern auf eine Vereinheitlichung der Leistungen für die Patienten.

Seit der von der Regierung angekündigten Studie im Frühsommer 2016 hat die Diskussion über Zusammenlegungen der Sozialversicherungsträger an Schwung zugelegt. Die von Stöger in London in Auftrag gegebene Studie empfiehlt allerdings jetzt nicht eine Variante für die Umsetzung, sondern beinhaltet vier mögliche Optionen für Fusionen. "Es gibt nicht eine richtige Lösung, wieviele Versicherungen es geben soll", betonte Studienleiter Elias Mossialos vor Journalisten in Wien. Das Wichtigste sei, sicherzustellen, dass es für die Versicherten gleiche Leistungen gebe. Dieser Punkt wird nun auch von den beiden SPÖ-Ressortchefs zuerst aufgegriffen.

Was sind nun die vier Fusionsmodelle?

Modelle eins sieht vor: Pensionsversicherung, Unfallversicherung, eine einzige Anstalt für Selbstständige (Gewerbe und Bauern) sowie eine Anstalt für Unselbstständige (inklusive der bisherigen Beamtenversicherung).

Modell zwei sieht vor: Pensionsversicherung, Unfallversicherung, eine eigene Anstalt für Selbstständige (Gewerbe und Bauern), eine für die bisherigen Gebiets- und Betriebskrankenkassen sowie eine weitere für Beamte, die Krankenfürsorgeanstalten der Gemenden und Eisenbahner.

Modell drei sieht vor: Pensionsversicherung sowie neun Länderanstalten, in denen jeweils Kranken- und Unfallversicherung für Selbstständige, Unselbstständige und öffentlich Bedienstete vereint sind.

Modell vier ist der jetzigen Struktur am ähnlichsten: Pensionsversicherung, Unfallversicherung, neun Gebietskrankenkassen unter einem Dach sowie fünf Betriebskrankenkassen vereint.

Stöger und Rendi-Wagner greifen jedoch zuerst die Empfehlungen zur Harmonisierung der Leistungen auf. Sie setzen dabei den Weg fort, der bereits eingeschlagen wurde. Ab Oktober ist fixiert, dass elf von 23 Leistungen der Krankenkassen bundesweit einheitlich abgegolten werden. Denn bei vielen Versicherten stößt auf Unverständnis, dass zwar österreichweit einheitliche Krankenkassenbeiträge eingehoben werden. Die Abgeltung der Krankenversicherung ist je nach Gebietskrankenkasse und Träger allerdings teilweise völlig unterschiedlich. Die Sozialversicherungen soll dazu durch ein eigenes Strukturgesetz verpflichtet werden, wie Stöger ankündigte. Dieses kann allerdings realistischerweise erst nach der Nationalratswahl umgesetzt werden.

171 bis 390 Millionen Euro

"Ich will diese Ungleichheiten beseitigen", betonte der Sozialminister. Dabei soll es sich um eine Entwicklung auf "ein höheres Niveau" (Stöger) handeln. Das kostet freilich mehr Geld - nämlich zwischen 171 Millionen Euro in einer weniger weitreichenden Variante bis zu 390 Millionen Euro pro Jahr in einer umfassenderen Version der Harmonisierung der Leistungen.

Woher soll das Geld dafür kommen? 120 Millionen Euro wollen Stöger und Rendi-Wagner in der Verwaltung der Sozialversicherung einsparen. Das wären zehn Prozent der derzeit von der Sozialversicherung angegeben Gesamtkosten der Kassen von 1,2 Milliarden Euro für ihre Verwaltung. Die Studie kommt zu den Verwaltungsausgaben übrigens zum Schluss, dass Österreich gemessen an international vergleichbaren Ländern (deutlich) hinter Japan an zweiter Stelle liegt, aber weit vor Frankreich, aber auch Deutschland.

Geld für den Ausbau der Leistungen von Patienten soll außerdem durch die Reduktion der Aufenthaltsdauer in Spitälern, wo Österreich voran liegt, eingespart werden, aber auch durch den vermehrten Einsatz billigerer Generika, die Österreich im Vergleich noch immer teurer sind. Gesundheitsminsterin Rendi-Wagner möchte die zentrale Steuerung der Patienten weg von den Spitälern hin zu den neuen Primärversorgungszentren, zu den niedergelassenene Ärzten und zu ambulanten Einrichtungen durch ein einheitliches Krankenanstaltengesetz verstärken. Derzeit gibt es neben einem Bundesgesetz für die Krankenanstalten noch neun Ländergesetze. Das ist auch der größte Haken: denn es handelt sich um ein Verfassungsgesetz, für das die Zustimmung der Länder notwendig ist.

Stöger macht auch kein Hehl daraus, dass er die Selbstbehalte für Patienten weiter zurückschrauben möchte. Mit diesem Abbau der Selbstbehalte, die in Wahrheit eine "Krankensteuer" seien, so Stöger, soll ebenfalls eine Vereinheitlichung erfolgen.

Fixeinkommen für Landärzte?

Studienleiter Mossialos ließ noch mit einem Vorschlag aufhorchen, der ganz auf Linie der Ärztekammer liegt. Um die Spitalsaufenthalte der Österreicher zu reduzieren, müsste es "Anreize" für einen Teil der niedergelassenen Mediziner geben. Nämlich für jene in benachteiligten städtischen Gebieten, aber auch im ländlichen Raum. Er sprach sich in dem Zusammenhang sogar für ein garantiertes Einkommen in einer bestimmten, nicht näher bezifferten Höhe aus.

Gesundheitsministerin Rendi-Wagner hat noch zwei weitere Anliegen. Die Prävention soll ausgebaut werden. Außerdem soll eine eigene Bundesagentur zur Qualitätskontrolle bei Gesundheit und Pflege eingerichtet werden.

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