Bücher

Das Parlament als Studienobjekt

Zeitgerecht vor der Wahl wird das Hohe Haus dokumentiert.

Das vorliegende Buch vereint die Crème der heimischen Historiker- und Politologenzunft. In 25 Kapiteln erschließt sich die Geschichte des Parlamentarismus, verknüpft mit den politischen Verwerfungen, die Österreich seit 1918 durchleben sollte. Anlass war für die Parlamentsdirektion als Herausgeberin der hundertste Jahrestag der ersten freien Wahlen in der Republik Deutschösterreich. In seiner Einleitung gibt der derzeit amtierende Präsident, Wolfgang Sobotka, den Grundtenor vor: Ein demokratischer Staat sei mehr als nur ein funktionierender Parlamentarismus und sein Bruttonationalprodukt: „Themen wie Kultur, Bildung, Religion und Wissenschaft sind für ein gedeihliches Zusammenleben nicht minder wichtig als die wirtschaftliche Basis.“ Nein, eine Jubelbroschüre ist das beileibe nicht. So beklagt der Direktor der Diplomatischen Akademie, Emil Brix, in klaren Worten, dass Österreich seit seinem EU-Beitritt die Chancen nur unzulänglich wahrnehme, die sich im Verhältnis zu den östlichen Nachbarländern anböten. „Das Abstimmungsergebnis war letztlich ein Ja zur Erhaltung des Sozialstandards, bedeutete aber keine europäische Weitung der österreichischen Identität.“

Es ist ein typischer Sammelband. Viele KöchInnen (so viel Gender muss bei einem offiziellen Werk wohl sein) rühren im Brei, bringen ihr ganz spezielles Interessen- und Wissensgebiet ein, natürlich höchst profund – ein kompaktes Ganzes wird daraus nicht. Auch ein gut bezahlter Lektor wäre kein Fehlinvestment gewesen.

Zum Buch:

Parlamentsdirektion (Hg.)
„Umbruch und Aufbruch
Parlamentarische Demokratie in Österreich“ New Academic Press,
320 Seiten, 24,90 €

Noble Erinnerungen

Der große Künstler Milan Turković nimmt den Leser mit auf eine Lebensreise, die von zäher Beharrlichkeit geprägt ist. Er entstammt einer einstmals reichen kroatischen Unternehmerfamilie. Alle Träume zerschlugen sich im Zweiten Weltkrieg, der Vater erschoss sich angesichts des Rachefeldzugs, den 1945 die kommunistischen Tito-Partisanen an den Kroaten entfachten. Die Mutter entkam als „Deutsche“ (sie war geborene Wienerin) nur mit Glück dem Tod. Und sie konnte nach schrecklichen Szenen mit dem kleinen Milan nach Österreich auswandern. Von Restitution der beschlagnahmten Güter durch Titos Horden war natürlich nie die Rede.

Für Turković war es ein Glücksfall, denn in Wien konnte er seine Traumkarriere mit dem Fagott beginnen. Und weil sein Lehrer behauptete, mit diesem Instrument könne man nicht Solist werden, setzte er es sich erst recht in den Kopf. Dass er dazu noch Dirigieren studierte, sollte ihm in späteren Jahren zugutekommen. Und so feierte er bald mit seinem eher unüblichen Soloinstrument Triumphe quer über den Erdball. Das Buch, gespickt mit Anekdoten, endet mit einer Liebeserklärung an seine Ehefrau, die frühere Eiskunstlauf-Vizeweltmeisterin Ingrid Wendl. Sie, eine exzellente Sportreporterin, eröffnete dem eher scheuen Künstler einen Blick hinter die Kulissen der Radio- und Fernsehwelt. Und als Leser dieses zauberhaften Buchs darf man nun daran teilhaben.

Zum Buch:

Milan Turković
„Lebensklänge
Eine Erinnerung“
Ibera-Verlag, 247 Seiten,
22 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.