Ralph Fiennes: „Filme zu machen ist Pflicht“

„Ich bin Engländer, fühle aber einen starken Bezug zu einer gewissen europäischen Mentalität und Kultur“, sagt Schauspieler und Regisseur Ralph Fiennes.
„Ich bin Engländer, fühle aber einen starken Bezug zu einer gewissen europäischen Mentalität und Kultur“, sagt Schauspieler und Regisseur Ralph Fiennes. (c) REUTERS (Peter Nicholls)
  • Drucken

Vor bald 25 Jahren wurde er mit „Schindlers Liste“ berühmt, heute ist Ralph Fiennes auch als Regisseur tätig. Der Engländer im Gespräch über seine Leidenschaft für Europa, seinen Film über Rudolf Nurejew und wieso er Filme heute wichtiger findet denn je.

Am Samstag ist der britische Schauspieler Ralph Fiennes beim Europäischen Filmpreis in Sevilla für seinen Beitrag zum Weltkino geehrt worden. Beim Film „The White Crow“ über Ballettlegende Rudolf Nurejew, der bereits bei einigen Filmfestivals zu sehen war, führte Fiennes Regie und ist auch als Ballettlehrer zu sehen.

Zur Eröffnung des Filmfestivals in Tokio warnten Sie davor, in Zeiten wie diesen nicht zu vergessen, was Filme bewegen können. Kann Kino die Welt retten?

Ralph Fiennes: Wer weiß, vielleicht kann es das? Diese Rede war sehr spontan: Man bat mich um ein paar Sätze, bevor das Buffet eröffnet wurde – und ich sprach einfach über etwas, was mich derzeit umtreibt. Ich glaube, dass Filme ein hervorragendes Mittel der Kommunikation sind, denn sie erreichen im Idealfall ein großes Publikum und sind in der Lage, wichtige Botschaften im großen Stil zu vermitteln. Nicht umsonst wurde das Kino immer wieder für Propagandazwecke vereinnahmt. Was wir im Moment politisch erleben, ist in meinen Augen eine Krise der Demokratie, überall kommen mächtige autoritäre und nationalistische Regierungen an die Macht. Deswegen ist es wichtiger denn je, dass wir Filmemacher in und mit unseren Arbeiten das Humanitäre stärken. Mag sein, dass mir da nicht jeder zustimmt, doch ich spüre das geradezu leidenschaftlich als meine Pflicht.

Soeben wurden Sie beim Europäischen Filmpreis für Ihren Beitrag zum Weltkino geehrt. Was bedeuten Ihnen eigentlich Ehrungen wie diese?

Es ist immer schmeichelhaft, einen Preis zu bekommen, allerdings darf man auch der eigenen Eitelkeit nicht zu viel Raum geben. Außerdem sind solche Auszeichnungen ja immer etwas, das sich auf vergangene Arbeiten bezieht. Ich bin als Künstler eher hungrig nach mehr Arbeit, als dass ich ein Fan der Retrospektive wäre. Wobei dieser europäische Preis schon etwas Besonderes ist.

Warum?

Ganz einfach, weil ich fürchte, dass dieses Gebilde, das wir Europa nennen, ein sehr wichtiges ist. Und ausgerechnet meine Heimat steckt bekanntlich und beschämenderweise in einer großen Identitätskrise, was das Verhältnis zu Europa angeht. Ich bin Engländer, aber fühle einen starken Bezug zu einer gewissen europäischen Mentalität und Kultur. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir eigentlich Teil der europäischen Stimme sein sollten. Und von daher ist mir dieser Europäische Filmpreis viel wert. Denn er zeigt, was ich fühle: Dass ich Europäer bin!

„The White Crow“, den Sie auch als Regisseur verantwortet haben, erzählt von der Ballettlegende Nurejew. Wie fanden Sie den passenden Nurejew?

Wie Sie sich vorstellen können, war das eine riesige Aufgabe. Da wir den jungen Mann kurz vor dem ganz großen Durchbruch zum Star zeigen, hatte ich ein klein wenig mehr Freiheit bei der Besetzung. Aber das Casting dauerte ewig, denn meine Devise lautete immer: Im Zweifelsfall lieber einen fantastischen Tänzer, der zumindest ein bisschen schauspielerisches Talent hat, als einen begabten Schauspieler, der aber nicht tanzen kann. Denn ich wusste, dass ich das Spielen anders als das Tanzen jemandem beibringen kann. Oleg (Iwenko, Anm.) zu finden war dann aber wirklich der ultimative Glücksgriff. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie der Film ohne ihn geworden wäre. Und ich bin sehr gespannt, was seine Zukunft bringt.

2019 ist es 25 Jahre her, dass „Schindlers Liste“ in die Kinos kam. Welche Bedeutung hat der Film für Sie persönlich?

Eine riesige, die sich kaum in Worte fassen lässt. Was natürlich zum einen an dem Film selbst und seinem Thema liegt, zum anderen an Steven Spielberg und der Leidenschaft, mit der er dieses Projekt umsetzte. Es war ganz deutlich zu spüren, dass dies für ihn kein Film wie jeder andere war, sondern einer, den er einfach drehen musste. Davon abgesehen stellte „Schindlers Liste“ für mich natürlich einen beruflichen Wendepunkt dar. Das war einer meiner ersten Filme überhaupt, und gleich dafür für den Oscar nominiert zu werden, war bemerkenswert. Wenn man als junger Schauspieler in einem Film mitwirkt, der so viel Beachtung findet, steht man plötzlich auch selbst im Rampenlicht und im Mittelpunkt des Interesses – und das ist natürlich eine fantastische Erfahrung.

Steckbrief

1952
kommt Ralph Fiennes in Ipswich, England, zur Welt.

1987
Mitglied im Royal National Theatre, zahlreiche Engagements an Theaterbühnen.

1993
Durchbruch mit „Schindlers Liste“, Fiennes wird auch für den Oscar nominiert.

1997
Eine weitere Oscar-Nominierung für „Der englische Patient“. Seither in zahlreichen Rollen zu sehen, u.a. in den James-Bond-Filmen „Skyfall“ und „Spectre“ sowie als Lord Voldemort in den Harry-Potter-Filmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.