Günstlingswirtschaft? Pfui! Das klingt wie Gunstgewerbe

Nepotismus muss nicht sein. Klüngelei auch nicht. Zu Wien passen die Freunderln, so wie die Spezln zu den Amigos in Bayern.

Zu den edelsten Aufgaben jeder Opposition gehört es, peinlich genau zu prüfen, wie Regierungen staatliche Mittel verwalten. Gerade erst übte sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda darin. Ihm scheinen gewisse türkis-blaue Methoden nicht zu behagen, er vermutet „Günstlingswirtschaft“. Sicher hat die Sozialdemokratie dafür die nötige Expertise, aber der Freundeskreis Wirtschaft und Politik im „Gegengift“ möchte in diesem Fall nicht konkret ins Detail gehen, sondern nur das semantische Umfeld abstecken.

Das Wort Günstling in Verbindung mit Wirtschaft erscheint uns etwas direkt. Gerade erst haben wir doch gelernt, dass die Wirtschaft die Arbeit schafft und nicht den Günstling. Das Wort, das mit „gönnen“ verwandt ist, kommt uns fast so vulgär vor wie Gunstgewerbe. Gerade Sozialdemokraten müssten einen progressiveren Ausdruck finden. Wie wäre es mit Favoritenpolitik? Damit fühlt man sich so wohl wie der Höfling eines Sonnenkönigs. Auch der Protegé klingt fein, er lässt sofort an einen schützenden Sonnenschirm denken.

Abzulehnen sind odiose Kampfbegriffe wie Nepotismus oder Vetternwirtschaft. Im alten Rom waren es wenigstens nur die Neffen, die unverschämt gefördert wurden. Später galt die Intervention der alten Herren offenbar auch entfernteren Verwandten. Aber in modernen Zeiten verdankt man doch nicht Onkeln, Tanten und anderen Paten die Karriere, sondern allein der Partei. Für Wien, diese Metropole der Solidarität, würde sich deshalb am besten die Freunderlwirtschaft eignen, um den politischen Vorgang des ökonomischen Protektionismus zu beschreiben.

In Bayern hingegen, der Heimat der Amigos, sollte man liebevoll von Spezlwirtschaft sprechen. Das liegt auch näher an diversen patriarchalen Praktiken. Ein spezieller Freund ist bei Bajuwaren für gewöhnlich „a Mo“. Frauen sind keine Spezis, davor schütze die Gunst der gläsernen Decke. Der Klüngel ist in der Regel nämlich männlich. Damit wird seit althochdeutscher Zeit ein gedrängter Haufen bezeichnet. In der Hochzeit des Bürgertums verwandelte sich diese wirre Masse in eine Metapher. Sie steht seit dem 19. Jahrhundert für die stets beliebte Parteiwirtschaft.

Wo aber hört die Gunst auf und fängt die Korruption an? Die Grenze ist unscharf, wie schon ein Gleichnis Jesu im Evangelium des Lukas beweist. Es erzählt von einem Haushalter, der von seinem Herrn wegen Veruntreuung zur Rechenschaft gezogen wird. Der Beschuldigte weiß genau, wie man Abhängigkeiten schafft. Was sagt dazu die Bibel? „Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt hatte; denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.“

E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2019)

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