Das neue Gespenst der Islamophobie

Gezeichnet vom Islam: Seine heftige Religionskritik, wie hier im Film ''Submission'' bezahlte der holländische Filemmacher Theo van Gogh mit dem Leben.
Gezeichnet vom Islam: Seine heftige Religionskritik, wie hier im Film ''Submission'' bezahlte der holländische Filemmacher Theo van Gogh mit dem Leben.AP
  • Drucken

In ganz Europa punkten Rechtspopulisten mit Rundumschlägen gegen den Islam. Das Wählerpotenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft.

Mit provokanten Attacken gegen den Islam gehen derzeit Populisten in ganz Europa auf Stimmenfang. Zur Meisterschaft in dieser zweifelhaften Disziplin hat es eine ehemalige Altenpflegerin gebracht: Pia Kjaersgaard, die Chefin der Dänischen Volkspartei. Ungeniert bezeichnen sie und ihre Freunde den Islam als neue „Pest über Europa“. und „terroristische Religion“. Mit Sprüchen wie diesen sahnten die Nationalisten bei der letzten Parlamentswahl im Dezember immerhin 14 Prozent der Stimmen ab.

Erstaunlich an der Karriere Kjaersgaards ist, dass Dänemark einen Ausländeranteil von gerade einmal fünf Prozent hat. Doch die Emotionen sind nicht mehr abgeebbt, seit die dänische Zeitung „Jyllands-Posten“ im Herbst 2005 Mohammed-Karikaturen abdruckte und damit weltweit Moslems auf die Barrikaden brachte.

Das Wählerpotenzial für „Islam-Basher“ sei in ganz Europa sehr hoch, erklärt Peter Ulram, Meinungsforscher des Gfk-Fessel-Instituts. In praktisch allen europäischen Ländern sei ein latentes Unbehagen über Zuwanderung aus islamischen Ländern vorhanden. Das sei Folge einer gescheiterten Integrationspolitik, sagt Ulram.

Pim Fortuyn gab die Linie vor

Der Startschuss für den politischen Anti-Islamismus in Europa fiel in den Niederlanden. Am Anfang stand ein Märtyrer: Der Holländer Pim Fortuyn, der während des Wahlkampfs 2002 erschossen wurde. Nicht von einem Moslem, sondern von einem Tierrechts-Aktivisten. Zu diesem Zeitpunkt hatte die aggressive Polemik des Rotterdamer Politikers, der für einen „Kalten Krieg gegen die feindliche Religion Islam“ eintrat, die traditionell konsensfreudigen Holländer bereits tief gespalten.

Fortuyn vertrat Islamkritik in Reinkultur. Er wollte nie mit Politikern wie Jörg Haider oder Le Pen verglichen werden. Seine Sorge war, dass die viel gerühmte Toleranz der Holländer durch eine Religion unterwandert werde, die westliche Freiheitsrechte nicht akzeptiere. Auch seine eigene Lebenssituation – Fortuyn war bekennender Homosexueller – spielte dabei eine Rolle. Sein Tod bescherte seiner Partei den Wahlsieg.

Zwei Jahre später ermordete ein islamischer Fundamentalist den Regisseur und Kolumnisten Theo van Gogh, der Moslems wiederholt als „Ziegenficker“ bezeichnet hatte. Wieder stand das Land unter Schock. Als darauf in einer TV-Show der bedeutendste Holländer gekürt wurde, landete Pim Fortuyn gleich nach Wilhelm von Oranien auf Platz zwei.

Diese breite Anerkennung verlockte rechtspopulistische Politiker anderer Länder, den Ball aufzunehmen. Zuerst in Belgien. Dort bildeten sich gleich drei Kleinparteien, die das Programm Fortuyns unvermischt übernahmen. Der „Vlaams Block“ aber, der nun als „Vlaams Belang“ auftrat, würzte fortan separatistische Tendenzen und Anti-Immigrationspolitik mit Aufrufen zum „europäischen Kampf gegen die Islamisierung“. Das war auch das Thema des Vortrags, den Fraktionschef Filip Dewinter vergangenen November auf Einladung der Kommunal-FPÖ in Graz hielt und von dem sich Susanne Winter zu ihren umstrittenen Aussagen inspirieren ließ.

In Italien ist der Boden bereitet

In Italien und Deutschland ist der Anti-Islamismus noch nicht in der nationalen Politik gelandet. Doch haben prominente Publizisten den ideologischen Boden aufbereitet. In Italien war es die Starjournalistin Oriana Fallaci. Unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September 2001 widmete sie die letzen Jahre ihres Lebens ganz der Warnung vor einer „schleichenden Islamisierung“ der westlichen Gesellschaft durch ständige Zunahme des islamischen Bevölkerungsanteils. Ihre Bücher „Die Wut und der Stolz“ und „Die Kraft der Vernunft“ verkauften sich in Italien millionenfach.

Weiter geht der Deutsche Udo Ulfkotte, ein ehemaliger Auslandskorrespondent und Islamexperte der FAZ. Seine anti-islamischen Ergüsse haben bereits viel stärker den Charakter von Verschwörungstheorien. Er fantasierte in seinem Buch „Heiliger Krieg in Europa“ von einem „100-Jahre-Plan“, mit dem sich die „Muslimbruderschaft“ die Weltherrschaft sichern wolle.

Parteigründung in Deutschland?

Nach kommunalpolitischen Anläufen in Hamburg und Bremen schien es eine Zeitlang so, als plane Udo Ulfkotte die Gründung einer bundesweiten Islam-kritischen Partei.

Mit dem Vlaams Belang verbindet ihn eine wechselvolle Geschichte von Kooperation und Distanzierung. Doch in Graz lauschte auch er den Ausführungen Dewinters. Die Reihen der Anti-Islamisten Europas beginnen sich dichter zu schließen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.