Selbst in Teilzeit Meister des Queues

Nächstes Ziel von Ronnie „The Rocket“ O’Sullivan ist die WM.
Nächstes Ziel von Ronnie „The Rocket“ O’Sullivan ist die WM.REUTERS
  • Drucken

Ronnie O'Sullivan führt mit 43 Jahren wieder die Weltrangliste an. Am Tisch ist der Engländer über alle Zweifel erhaben, sein Clinch mit dem Weltverband aber spaltet die Szene.

Llandudno/Wien. Für seine Fans war und ist Ronnie O'Sullivan ohnehin die Nummer eins der Snooker-Welt, nun ist er es auch wieder in der offiziellen Rangliste. Mit dem Triumph bei der Tour Championship in Llandudno, Wales, kehrte er nach fast neun Jahren zurück an die Spitze. „Das ist verrückt. Die Nummer eins zu sein, obwohl ich die Hälfte der Turniere spiele, ist vielleicht die größte Leistung überhaupt“, erklärte der 43-Jährige nach dem 13:11-Finalerfolg über den Australier Neil Robertson. Es war der 36. Sieg bei einem Ranglistenturnier seiner Karriere, womit der Engländer zudem den Rekord von Stephen Hendry einstellte.

Mit 43 Jahren ist O'Sullivan der älteste Weltranglistenführende seit seinem früheren Mentor Ray Rearden, der sechsmalige Weltmeister aus Wales erklomm 1983 als 50-Jähriger den Thron. „Er ist das Äquivalent von Roger Federer am Snooker-Tisch, und wahrscheinlich sogar noch besser“, adelte ihn der geschlagene Robertson. Tatsächlich hebt sich O'Sullivan nicht nur ob seiner Lebensgeschichte – Vater im Gefängnis, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Depressionen, Übergewicht –, sondern vor allem durch sein besonderes Talent von der Konkurrenz ab: Niemand sieht und spielt Stöße schneller als er, „The Rocket“ setzt kontinuierlich neue Maßstäbe. So hält der Profi aus Essex auf der Main Tour die Rekorde für Major-Siege (19) sowie für Maximum (Erreichen der Maximalpunkteanzahl von 147) und Century Breaks (Serie von 100 oder mehr Punkten pro Aufnahme), bei Letzteren erreichte er vor zwei Wochen als Erster über 1000 – 0,79 pro Partie, ebenfalls Bestwert.

Masse oder Klasse?

Neben den sportlichen Highlights hat sich O'Sullivan im Gentlemensport Snooker auch durch rüpelhaftes Auftreten einen Namen gemacht. Gegner und Schiedsrichter scheinen jedoch abgearbeitet, er hat sich inzwischen auf ein anderes Kaliber eingeschossen: Barry Hearn, einst sein erster Manager und nun Chef des Weltverbands und Veranstalter der meisten großen Turniere. Diese wurden in den letzten Jahren durch Qualifikationsrunden erweitert und quer über die Welt verteilt, sehr zum Missfallen des Engländers: „Barry geht es nicht um Snooker, es geht ihm nur ums Geld.“ Im Gegensatz dazu inszenierte sich O'Sullivan zuletzt beim Sieg der UK Championship als „people's player“.

„Wenn du Top-Spieler in eine Top-Arena steckst, dann bekommst du auch Top-Snooker“, so das Credo des Routiniers. Seine Konzentration gilt deshalb vorrangig Einladungsturnieren und den prestigeträchtigen Triple-Crown-Events, zwischendurch kokettiert er immer wieder mit der Gründung einer eigenen Elite-Serie. Das wiederum stößt selbstredend Hearn, aber auch einigen seiner Kollegen ungut auf.

Den WM-Showdown im Crucible Theatre von Sheffield (ab 20. April) wird sich O'Sullivan freilich nicht entgehen lassen. Dort könnte er den nächsten Meilenstein seiner Karriere setzen und nach sechs Jahren Pause zum insgesamt sechsten Mal triumphieren. „Rekorde sind schön. Der bei der WM fehlt noch, aber den sehe ich nicht kommen“, scherzte der 43-Jährige. Die 15 Titel von Landsmann Joe Davis (1927-46) sind selbst für den Superstar außer Reichweite.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.