Hat die New Yorker Fed schon 2007 von Libor-Manipulationen gewusst? Die US-Gesetzgeber wollen nun Ben Bernanke und Timothy Geithner befragen.
Wien/Red. Die jahrelange Manipulation des Libor-Zinssatzes – von US-Medien bereits „Betrug des Jahrhunderts“ tituliert – zieht nun auch die Zentralbank Federal Reserve in ihren Bann. Zahlreiche E-Mails und Briefe zwischen dem New Yorker Ableger der Notenbank und der britischen Barclays-Bank sollen belegen, dass das Institut schon 2007 auf das Problem hingewiesen habe – daran wollen sich zumindest ranghohe Barclays-Mitarbeiter erinnern können.
„Wir müssen mehr über diese Anschuldigungen herausfinden“, sagte Tim Johnson, der Vorsitzende des Bankenkomitees des US-Senats. Deshalb wolle er Timothy Geithner und Ben Bernanke in der Causa befragen. Geithner ist US-Finanzminister und war zum fraglichen Zeitpunkt Chef der New Yorker Fed, Bernanke ist Zentralbankchef. Wann genau der Kongress die beiden „grillen“ wird, ist noch nicht bekannt – jedenfalls noch im Juli.
Fed veröffentlicht Dokumente
Die New Yorker Fed weist die Vorwürfe zurück. Sie will heute, Freitag, Licht ins Dunkel bringen und Dokumente veröffentlichen, die beweisen, dass die Zentralbank schon 2007 auf Probleme beim Libor-Zinssatz hingewiesen und auf nötige Reformen bestanden habe. Außerdem wolle die Fed beweisen, dass Barclays keineswegs zu verstehen gegeben habe, dass der Libor in großem Stil manipuliert werde. Lediglich von „gelegentlichen anekdotischen Berichten“ sprach die New Yorker Fed in einer Aussendung am Donnerstag.
Barclays war kürzlich zu einer Geldstrafe von 450 Mio. Dollar (370 Mio. Euro) verurteilt worden. Das Institut habe den Libor-Zinssatz von 2005 bis 2009 nach Belieben nach unten oder oben manipuliert. Ermittelt wird gegen Dutzende andere Banken weltweit. Sie sollen ein Zinskartell gebildet und sich bei der Festsetzung der Zinssätze abgesprochen haben.
Der Libor zählt zu den wichtigsten Zinssätzen der Welt. Kredite, Derivate und sonstige Finanzprodukte im Umfang von mindestens 360 Billionen Dollar hängen von ihm ab.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2012)