Das deutsche Verfassungsgericht nimmt sich mehr Zeit als üblich und wird erst im September sein Urteil über Rettungsschirm und Fiskalpakt verkünden.
Das deutsche Verfassungsgericht verkündet sein Urteil zum Euro-Eilverfahren am 12. September. Dies teilte das Gericht am Montag in Karlsruhe mit. Das Gericht nimmt sich damit wie erwartet mehr Zeit als in Eilverfahren eigentlich üblich (drei bis vier Wochen). Es wird erwartet, dass die Richter dann bereits auch Stellung dazu nehmen, ob die eigentlichen Klagen gegen den Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt Aussicht auf Erfolg haben. Das Gesetz für den Rettungsschirm ESM hatte ursprünglich bereits am 1. Juli in Kraft treten sollen, wurde aber wegen mehrerer Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verschoben.
Mit den Eilanträgen wollen die Kläger verhindern, dass der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck die Ende Juni von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Ratifizierungsgesetze für ESM und Fiskalpakt unterzeichnet, noch bevor das Verfassungsgericht in der späteren Hauptverhandlung in der Sache entscheidet. Da es sich bei ESM und Fiskalpakt um völkerrechtliche Verträge handelt, würden sie mit Gaucks Unterschrift für Deutschland bindend und könnten auch durch ein späteres Veto der Verfassungsrichter nicht mehr geändert werden, schreibt "Financial Times Deutschland".
Mehrere Gruppen von Klägern
Mehrere Gruppen von Klägern haben gegen Maßnahmen zur Euro-Rettung Verfassungsbeschwerden eingelegt. Die Richter müssen über Klagen und Eilanträge urteilen, die unter anderem der Verein "Mehr Demokratie" um die deutsche Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), dessen Beschwerde sich rund 12.000 Bürger angeschlossen haben, die Linken-Fraktion und der CSU-Politiker Peter Gauweiler eingereicht hatten. Sie sehen durch die Verträge die Budgethoheit des Bundestages untergraben und die Grenzen des Grundgesetzes zur Integration in Europa weit überschritten.
Der ESM soll Euro-Ländern mit bis zu 500 Milliarden Euro beistehen können. Dafür steht Deutschland mit 22 Milliarden Euro in bar und weiteren 168 Milliarden Euro an abrufbarem Kapital gerade. Mit dem Fiskalpakt verpflichten sich 25 EU-Staaten, Schuldenbremsen einzuführen. "Es wird eine eingehendere summarische Rechtsprüfung erfolgen, für die der Senat etwas mehr Zeit benötigt", sagte Gerichtssprecherin Judith Blohm am Montag.
Schäuble und Juncker drängten
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle hatte bereits in der mündlichen Verhandlung am vergangenen Dienstag angedeutet, dass die Richter schon im Eilverfahren etwas gründlicher prüfen könnten als sonst üblich. Voßkuhle begründete das mit der öffentlichen Wirkung der Eilentscheidung - etwa, falls die Richter den Rettungsschirm vorläufig stoppen, später dann aber doch genehmigen.
Daraufhin hatten Finanzminister Wolfgang Schäuble und auch andere Spitzenpolitiker gemahnt, dass sich das Verfassungsgericht nicht Monate Zeit für ein Urteil nehmen sollte. So sagte Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker dem "Spiegel", es sei nicht hilfreich, wenn sich das Verfassungsgericht bis zum Herbst Zeit lasse. Hintergrund ist, dass die Spitzen der nationalen Regierungen und der Europäischen Union mit unanfechtbaren Maßnahmen die Finanzmärkte beruhigen wollen. Durch das Vertrauen der Finanzmärkte sollen auch die Zinsen für die Kredite sinken, die die Krisenstaaten aufnehmen müssen.
Eilentscheidung wird endgültigem Urteil nahe kommen
Im Normalfall entscheidet das Gericht über Eilanträge innerhalb weniger Wochen. Dabei beschränkt es sich - sofern die Sache nicht offensichtlich unbegründet ist - auf eine Abwägung der Folgen einer einstweiligen Anordnung. "Eine bloße Folgenabwägung würde den weitreichenden und möglicherweise irreversiblen Konsequenzen einer gerichtlichen Entscheidung nicht gerecht - und auch nicht der herausragenden politischen Bedeutung des Verfahrensgegenstands", sagte die Gerichtssprecherin.
Der Zweite Senat hat mehrere Beratungstermine angesetzt, auch im normalerweise beratungsfreien August. Es ist zu vermuten, dass die Begründung der Eilentscheidung einem endgültigen Urteil schon relativ nahe kommen könnte.
(APA/AFP/Reuters)