Der Verfassungsrechtler Öhlinger glaubt nicht, dass der Fiskalpakt und der Euro-Schutzschirm ESM verfassungswidrig sind.
Nach der Unterschrift von Bundspräsident Heinz Fischer unter den Fiskalpakt und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) hoffen Gegner nun auf den Verfassungsgerichtshof. FPÖ, Grüne und BZÖ planen eine Verfassungsklage gegen den Fiskalpakt, die Kärntner Landesregierung will den ESM vor den VfGH bringen.
Nach Ansicht des Verfassungsexperten Theo Öhlinger haben die Klagen aber wenig Aussicht auf Erfolg. Für den ESM sei eigens die Verfassung geändert worden, um etwa die Mitwirkungsrechte des Parlaments festzulegen: "Daraus geht klar hervor, dass der ESM ein in die Verfassung eingepasster Staatsvertrag ist", erklärte er am Mittwoch.
Auch eine Verfassungswidrigkeit des Fiskalpakts, wie sie der Salzburger Verfassungsrechtler Stefan Griller in einem Gutachten für die Grünen argumentiert hatte, sieht Öhlinger nicht. Griller bringt im Wesentlichen drei Argumente vor: Erstens sieht er in der Schuldenbremse die Budgethoheit des Nationalrats zu sehr beschränkt. Zweitens stellt die einseitige Konzentration auf die "Schuldenbremse" aus seiner Sicht einen Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Verpflichtung dar, bei der Budgetpolitik auch das "gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" (also etwa die Arbeitslosigkeit) zu berücksichtigen. Drittens sieht er in der Selbstverpflichtung der Mitgliedsländer, die EU-Kommission bei Sanktionsverfahren zu unterstützen, eine Aushöhlung der verfassungsrechtlich garantierten Weisungsfreiheit der zuständigen Minister.
Öhlinger teilt diese Bedenken nicht. Ein "Weisungsrecht" der EU-Kommission an die nationalen Minister im Defizitverfahren gibt es aus seiner Sicht nicht, weil auch die Ablehnung der Kommissionsvorschläge möglich bleibt. Denkbar, wenn auch nicht wahrscheinlich, wäre für Öhlinger, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) durch die einseitige Betonung der Budgetstabilität das "gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" zu wenig gewürdigt sieht. Dies wäre allerdings eine Premiere, denn bisher hat der VfGH noch nicht ausjudiziert, was darunter genau zu verstehen ist.
Selbst wenn der Fiskalpakt jedoch verfassungswidrig sein sollte, hätte das in der Praxis "wenig Bedeutung", betonte Öhlinger. Denn die Einhaltung der "Schuldenbremse" wäre der Regierung ja auch in diesem Fall nicht verboten. Außerdem blieben Staatsverträge aus völkerrechtlicher Sicht auch dann in Geltung, wenn sie vom Verfassungsgericht gekippt würden. Von der EU auferlegte Strafzahlungen bei Verstößen wären also weiterhin möglich. Zu klären wäre dann nur, wie diese Sanktionszahlungen innerstaatlich umgesetzt werden, denn von den innerstaatlichen Organen dürfte ein verfassungswidriger Staatsvertrag, auch wenn er völkerrechtlich weiterhin gilt, nicht mehr vollzogen werden.
Der Fiskalpakt verpflichtet die Vertragspartner, ihr "strukturelles Defizit" auf maximal 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu beschränken ("Schuldenbremse") und Sanktionen gegen Defizitsünder nicht mutwillig zu blockieren. Hierzulande wurde dies mit dem innerösterreichischen Stabilitätspakt umgesetzt, der das "strukturelle Defizit", also die um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte Neuverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden, mit 0,45 Prozent begrenzt.
(APA)