Reaktionen auf das Urteil: EU fordert Revision

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Das Urteil gegen die russische Protest-Punkband wird international als Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention kritisiert.

Das Hafturteil gegen die drei regimekritischen russischen Musikerinnen der Punkband "Pussy Riot" stößt international auf heftige Kritik. Russland verstoße mit dem Urteil gegen die Kreml-kritische Punkband "Pussy Riot" nach Worten der EU-Außenpolitikbeauftragten Catherine Ashton gegen internationale Verpflichtungen. Ashton erklärte am Freitag nach Veröffentlichung des Strafausmaßes von zwei Jahren gegen die drei Musikerinnen, sie erwarte, dass das Urteil "überprüft und in Einklang mit Russlands internationalen Verpflichtungen gebracht wird".

Ashton zeigte sich "zutiefst enttäuscht" und nannte den Schuldspruch des Moskauer Gerichtes "unverhältnismäßig". Zusammen mit Berichten über Misshandlungen der Bandmitglieder in ihrer Haft und über Fehlern im Verfahren werfe das Urteil "ein großes Fragezeichen über Russlands Respekt gegenüber seinen internationalen Verpflichtungen zu einem fairen, transparenten und unabhängigen Justizverfahren. Es läuft auch Russlands internationalen Verpflichtungen zur Achtung der Meinungsfreiheit zuwider."

Keinen Kommentar zum Urteil gab es vom Sprecher von Kremlchef Wladimir Putin. Putin habe seine Meinung immer wieder deutlich gemacht, die er dem Gericht aber nicht aufdrängen könne, sagte Dmitri Peskow am Freitagabend dem Internetportal publicpost.ru zufolge. "Es handelt sich um eine Entscheidung des Gerichts", sagte Peskow.

"Unverhältnismäßiges Urteil"

Für die USA sei der Schuldspruch von zwei Jahren Straflager für die drei Frauen "unverhältnismäßig", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Victoria Nuland, am Freitag. Man befürchte "negative Folgen für die Meinungsfreiheit in Russland".

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Urteil gegen die russische Punkband Pussy Riot ebenfalls als unverhältnismäßig hart kritisiert. Sie habe bereits den Prozess mit Sorge verfolgt, erklärte Merkel am Freitag in Berlin. Die Entscheidung der Richter sei unverhältnismäßig hart und stehe mit den europäischen Werten von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nicht im Einklang. "Eine lebendige Zivilgesellschaft und politisch aktive Bürger sind eine notwendige Voraussetzung und keine Bedrohung für Russlands Modernisierung", kritisierte Merkel.

"Vorwürfe wie Rowdytum und religiöser Hass sollten nicht dafür benutzt werden, um die Meinungsfreiheit einzuschränken", teilte die OSZE-Beauftragte für Pressefreiheit, Dunja Mijatovic, am Freitag in Wien mit. Freie Meinungsäußerung sollte nicht beschränkt oder unterdrückt werden, egal wie provokativ, satirisch oder heikel sie auch sei: "Unter keinen Umständen darf sie zu Gefangenschaft führen." Russland gehört zu den 56 OSZE-Staaten.

Nach dem Urteil hat auch die russisch-orthodoxe Kirche "Milde" für die drei Frauen gefordert. Die Kirche bitte die "staatlichen Behörden darum, den Angeklagten gegenüber Milde walten zu lassen", teilte der Hohe Kirchenrat am Freitag mit. Die orthodoxe Kirche hege die Hoffnung, dass die Musikerinnen "darauf verzichten, ein derartiges Sakrileg noch einmal zu begehen". Das Oberhaupt der Kirche, der Patriarch Kirill I., hatte den Musikerinnen noch vor wenigen Wochen "Blasphemie" vorgeworfen und sich für eine harte Bestrafung ausgesprochen. Ein Kirchensprecher sagte, die Protestaktion der Künstlerinnen sei "schlimmer als Mord".

"Kunstaktion kein Verbrechen"

Auch aus Österreich kam Kritik. "Die Verurteilung der Bandmitglieder zu zwei Jahren Haft ist eine völlig unverhältnismäßige Strafe in Anbetracht der erhobenen Vorwürfe", betonte Außenamts-Staatssekretär Wolfgang Waldner (ÖVP) am Freitagnachmittag in einer Aussendung. "Eine friedliche Kunstaktion kann nicht als Verbrechen gelten, das zu einer langanhaltenden Inhaftierung führt", unterstrich der frühere langjährige Kulturmanager.

"Die Verurteilung ist ein Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention", betonte der Staatssekretär. Auch in Hinblick auf die menschliche Situation der Angeklagten habe er sich erhofft, "dass sie unverzüglich auf freien Fuß gesetzt werden", kommentierte Waldner die zweijährige Haftstrafe gegen die drei jungen Musikerinnen. Zwei von ihnen seien nämlich durch die Untersuchungshaft "schon monatelang von ihren kleinen Kindern getrennt", was eine "schwere seelische Belastung" sei.

"Grobe Verletzung von Menschenrechten"

SPÖ-Menschenrechtssprecherin Petra Bayr wertete die Gerichtsentscheidung als "grobe Verletzung von Menschenrechten und Meinungsfreiheit". Europa dürfe "nicht weiter tatenlos zuschauen, wie das Putin-Regime Menschenrechte und Meinungsfreiheit tagtäglich aufs Neue mit Füßen tritt", so Bayr in einer SPÖ-Aussendung. Zuvor hatte bereits die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun betont, alles andere als ein Freispruch der Musikerinnen sei "nicht akzeptabel".

"Niederschmetterndes" Urteil

Der Menschenrechtsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Markus Löning, hat die Haftstrafe gegen die kreml-kritische Punkband Pussy Riot als "niederschmetternd" kritisiert. "Das Urteil unterstreicht auf schauerliche Weise den Zustand der russischen Justiz", sagte der FDP-Politiker am Freitag der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Einschüchterung tragen deren Entscheidungen."

Bereits die mehrmonatige Untersuchungshaft gegen die drei jungen Frauen sei "vollkommen unverhältnismäßig" gewesen, sagte Löning. Das Urteil von je zwei Jahren Haft sei nun jedoch "niederschmetternd". Der Menschenrechtsbeauftragte forderte Präsident Wladimir Putin auf, "sich endlich dafür einzusetzen, dass Unabhängigkeit und Gerechtigkeit alleinige Leitbilder der russischen Gerichte sind".

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz, machte Kreml-Chef Wladimir Putin persönlich für das Urteil verantwortlich. "Das ist Putins Prozess gewesen. Es ist Putins Urteil. Und es ist ein Urteil, das jeder Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hohnspricht", sagte der CDU-Politiker am Freitag.

Weltweite Demonstrationen

Weltweit demonstrierten Menschen für eine Freilassung der drei Frauen. In der Wiener Innenstadt gingen am Freitagnachmittag etwa 150 Menschen auf die Straße, großteils mit rosa Strumpfhosen - dem Markenzeichen von Pussy Riot - maskiert. Einige Demonstranten drangen auch in den Wiener Stephansdom ein, wo sie eine halbe Minute lang Parolen für Pussy Riot skandierten, ehe sie vom Sicherheitspersonal hinauskomplimentiert wurden. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew fällte eine Aktivistin der feministischen Gruppe Femen ein großes Holzkreuz mit einer Motorsäge. In Berlin ketteten sich sechs Sympathisanten an den Zaun der russischen Botschaft, ehe sie von Polizisten losgeschnitten wurden. Demonstrationen gab es auch in Moskau und Sofia.

(APA/dpa)

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