"Freikauf" vom leiblichen Kind scheitert

Freikauf leiblichen Kind scheitert
Freikauf leiblichen Kind scheitert(c) Vinzenz Schüller
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Ein Mann zahlte, damit ein anderer sich als Vater seines kranken leiblichen Kindes ausgibt. Der Vertrag erwies sich als nichtig. Der unechte Vater muss nichts zurückzahlen, sondern erhält zusätzlich Geld.

Wien. Schon seit fünf Jahren drehen sich Prozesse um ein steirisches Kuckuckskind. Auf der einen Seite steht ein Pensionist, der mit der Mutter des Kindes verheiratet war. Das Kind stammte aber, wie sich im Laufe der Zeit herauskristallisierte, von einem anderen. Der offenbar echte Vater wollte jedoch nicht zum Kind stehen. Der durchwegs vermögende Mann war aber damit einverstanden, sich in einem Notariatsvertrag dazu zu verpflichten, einmalig eine hohe Summe zu leisten. Im Gegenzug sollte garantiert werden, dass er zu keinem Vaterschaftstest muss.

Der Vertrag wurde im Jahr 2003 geschlossen, der leibliche Vater übergab Sparbücher im Wert von insgesamt 150.000 Euro. Geld, das dringend benötigt wurde, weil das Kind krank war und teure medizinische Maßnahmen durchgeführt werden mussten. Vor dem Notar wurde festgehalten, dass 50.000 Euro pauschal die bisherigen Kosten abdecken sollten, die angefallen waren, um den Gesundheitszustand des Kindes zu erhalten. Die restlichen 100.000 sollten hingegen das zukünftige Wohl des Nachwuchses sicherstellen. Im Gegenzug verzichtete das Ehepaar laut Vertrag auf „irgendwelche Ansprüche“ gegen den echten Vater. Insbesondere musste der Ehemann versprechen, seine Vaterschaft nicht anzufechten. Ansonsten müsse er die Zuwendungen zurückzahlen. Solange man die Vaterschaft nicht anficht, gilt man als Ehemann immer als Vater des Kindes, das die Ehefrau gebärt.

Doch die Eheleute hatten nicht damit gerechnet, dass sich der Gesundheitszustand des Kindes noch mehr verschlechtern sollte. Sogar eine Lebertransplantation wurde nötig. Die Aufwendungen dafür konnte der Ehemann nicht mehr aufbringen.

Nun wurde doch das Gericht eingeschaltet, dieses stellte die außereheliche Vaterschaft fest. Aus dem leiblichen Vater, der eigentlich geheim blieben wollte, wurde somit auch der rechtliche Vater. Der andere Mann war dadurch seine Verpflichtungen für die Zukunft los. Allerdings blieb er noch auf den hohen bisherigen Kosten für das „Kuckuckskind“ sitzen. Dazu ging auch die Ehe in die Brüche, es folgte die Scheidung.

War das Geld für Kind oder Vater?

Inzwischen brachen alle Dämme: Der echte Vater wollte nun die 150.000 Euro zurück. Die Frau zahlte ihm 50.000 zurück, der Scheinvater aber behielt 100.000 Euro. Zudem ging dieser seinerseits gerichtlich gegen den leiblichen Vater vor und forderte weitere 48.900 Euro (300 Euro für jeden Monat, in dem er für das Kind gezahlt hatte). Dies sei der normale Unterhalt für ein Kind, betonte der Scheinvater. Er selber habe ohnedies noch viel höhere Summen für den Buben (für Diätnahrung, Medikamente und Reisen zu Spezialisten im Ausland) aufgebracht.

Bereits im ersten Rechtsgang (2Ob74/10m) stellte der Oberste Gerichtshof (OGH) fest, dass der notariell geschlossene Vertrag sittenwidrig und nichtig ist: Familienverhältnisse seien nicht disponibel, durch Geld könne man das Recht auf Feststellung einer Vaterschaft nicht abbedingen. Im zweiten Rechtsgang (2Ob3/12y) ging es um die Rückabwicklung des Vertrags. Die zentrale Frage war dabei, ob die 100.000 Euro finanziell dem Scheinvater oder dem Kind zuzurechnen sind. Der OGH entschied, dass das Geld dem Kind zugeflossen ist, betont die siegreiche Anwältin des Scheinvaters, Annemarie Stipanitz-Schreiner, im Gespräch mit der „Presse“. Der Scheinvater muss die 100.000 Euro also schon deswegen nicht zurückzahlen. Zudem wurden ihm die gewünschten 48.900 Euro zugesprochen.

Weitere Prozesse möglich

Doch ganz zu Ende ist das Verfahren noch immer nicht. So könnte der inzwischen 72-jährige Scheinvater nun noch versuchen, von seiner Ex-Frau die 50.000 Euro zu erhalten, die diese dem echten Vater zurückgezahlt hat. Auch der Notar bzw. seine Versicherung könnte noch Ärger bekommen, weil der ausgearbeitete Vertrag ungültig war. Diesfalls dürfte aber der echte Vater wohl höchstens die Beraterkosten zurückfordern: Denn für das (inzwischen volljährige, aber nach wie vor kranke) Kind hätte der Vater ja auch ohne den notariellen Vertrag zahlen müssen, analysiert Stipanitz-Schreiner.

Auf einen Blick

Verträge dürfen nicht das Recht eines Kindes auf seinen echten Vater beschränken. Das stellte der Oberste Gerichtshof fest. Er entschied, dass eine Abmachung zwischen zwei Männern über ein Kind nichtig ist. Der biologische Vater hatte sich bereit erklärt, Geld zu zahlen, wenn der rechtliche Vater dafür keinen Vaterschaftstest von ihm verlangt. Da der Vertrag nichtig war, stellte sich die Frage, ob der Scheinvater das Geld zurückzahlen müsse. Dies muss er aber nicht, entschied nun der OGH. Denn das Geld sei nicht dem anderen Mann, sondern dem Kind zuzurechnen. Umgekehrt durfte der Scheinvater noch Unterhalt vom echten Vater nachfordern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2012)

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