Wegen Assanges Flucht in Ecuadors Botschaft in London müssen seine Bürgen für die Kaution des WikiLeaks-Chef blechen.
London. Für linke angelsächsische Intellektuelle waren „WikiLeaks“-Gründer Julian Assange und sein Kampf gegen die Auslieferung nach Schweden, wo er wegen mehrfacher sexueller Nötigung befragt werden soll, eine Zeitlang eine beliebte Cause célèbre: Die Filmemacher Michael Moore (USA) und Ken Loach (Großbritannien), der Journalist John Pilger (gebürtiger Australier) und die englische Societylöwin Jemima Khan standen Schlange, um Schecks über insgesamt 200.000 Pfund Kaution (252.000 Euro) auszustellen, die Assange für die Dauer des Auslieferungsverfahrens vor britischer Haft bewahrte. Doch dieser Freundschaftsdienst kommt die Assange-Alliierten nun teuer zu stehen: Weil der gefallene Held der Internet-Enthüllungsgemeinde vor drei Monaten in die ecuadorianische Botschaft in London floh, dort erfolgreich Asyl beantragte und damit gegen seine Kautionsauflagen für den verhängten Hausarrest verstieß, hat die britische Justiz dieses Geld bereits einkassiert.
Doch es werden noch mehr Pfund in die Staatskasse rollen, wenn Assange (41) die Botschaft nicht bis zum 3. Oktober freiwillig verlässt: Diese Frist hat jetzt ein Londoner Richter neun weiteren weniger prominenten, aber nicht minder großzügigen Freunden des gebürtigen Australiers gewährt, die mit insgesamt 140.000 Pfund an Bürgschaften in der Pflicht stehen. Der Chef des Londoner „Frontline Club“, Vaughan Smith, in dessen Norfolker Landsitz Assange über ein Jahr gelebt hatte, bürgte etwa mit 20.000 Pfund dafür, dass dieser den Hausarrest nicht zur Flucht nutzen würde. Smith hat erklärt, er wolle sein Geld zwar gern zurück – aber die Sicherheit von Assange sei ihm nach wie vor wichtiger.
Auch Partyservice-Unternehmerin Sarah Saunders, deren Hausgast Assange in den letzten Monate bis zu seiner Flucht in die Botschaft war, droht viel zu verlieren: Laut britischen Medien hat sie nicht nur 20.000 Pfund als Bürgschaft, sondern zudem 100.000 £ bar für die Kaution hingeblättert.
Um ihr Geld zu retten, sollten sie Assange sagen: „Wir haben dir vertraut – jetzt komm zurück“, meint Richter Howard Riddle. Doch das ist unwahrscheinlich: Der Enthüllungsaktivist sieht sich als Opfer einer Verschwörung und fürchtet, letztlich in die USA ausgeliefert zu werden, wo ihm wegen Geheimnisverrat (er hatte 2010 geheime diplomatische Depeschen von US-Botschaften veröffentlicht) die Todesstrafe drohen könnte.
Hoffen auf Schwedens Resignation
Erst vergangene Woche hat Assange erklärt, er richte sich darauf ein, bis zu einem Jahr in seinem Zimmer (natürlich mit Internetanschluss) in Ecuadors Botschaft zu bleiben. Irgendwann, so sein Kalkül, würden die Schweden ihre Ermittlungen ja wohl einstellen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2012)