Die Justiz ermittelt weiter gegen Bundeskanzler Faymann. Abseits aller juristischer Fragen bleibt die politische Verantwortung. Ein Experte warnt: Künftig müsse man aus anderen Gründen Inserate genauer prüfen.
Wien. Das Leben des Werner Faymann könnte eigentlich einfach sein: Denn die ÖVP war zuletzt damit beschäftigt, sich selbst zu zerfleischen. Und die SPÖ kann sich nun darüber freuen, dass sie doch ihre Volksbefragung zur Wehrpflicht bekommt. Doch dann gibt es noch die Inseratenaffäre aus der Zeit, als Faymann noch Verkehrsminister war. Und diese Sache ist noch lange nicht ausgestanden.
„Ja, es gibt noch Ermittlungen“, hieß es am Montag aus der Justiz zur „Presse“. Die Staatsanwaltschaft Wien wollte zwar ursprünglich das Verfahren gegen Faymann und seinen jetzigen Staatssekretär (und Ex-Kabinettschef) Josef Ostermayer einstellen. Doch die Oberbehörden ordneten weitere Ermittlungen an. Zuletzt wurde publik, ein Mitarbeiter der Asfinag-Presseabteilung habe bei seiner Vernehmung angegeben, das Unternehmen sei durch die Inseratenaufträge sehr wohl geschädigt worden.
Zudem berichtet „Profil“, dass die Oberstaatsanwaltschaft sich bereits im Juni irritiert von den zeitlichen Abläufen in der Causa rund um ÖBB-Inserate in der „Krone“ zeigte. Der Kooperationsvertrag mit der „Krone“ wurde 2007 nämlich erst Monate, nachdem die Kampagne gestartet war, vom Verkehrsministerium und noch später von den ÖBB abgesegnet. Ging es dabei etwa darum, im Nachhinein etwas juristisch zu fixieren, was Faymann schon Monate vorher mit der „Krone“ paktiert hatte? Falls ja, so könnte laut Oberstaatsanwaltschaft die nachträgliche Genehmigung eine taugliche Missbrauchshandlung für den Tatbestand der Untreue darstellen.
Untreue kann aber nur vorliegen, wenn die Inserate von ÖBB und Asfinag nicht primär den Unternehmen, sondern dem aus den Inseraten lächelnden Faymann zugutekamen. Dann hätten die finanziellen Mittel der Firmen nämlich jemand anderem (Faymann) genützt. Dieser Punkt ist einer von jenen, den die Justiz noch genau klären muss. Das Justizministerium als oberste Anklagebehörde forderte detailliertere Ermittlungen. Faymann betont, korrekt gehandelt zu haben: Laut einem Gutachten hätten vielmehr die ÖBB vom Konterfei des Ministers profitiert.
Zahlt bald Ministerium für Partei?
Abseits aller juristischer Fragen bleibt die politische Verantwortung. Und die Frage, ob das Transparenzpaket dafür sorgen wird, dass es zu keiner weiteren Inseratenaffäre kommt. „Dass Druck auf staatsnahe Betriebe ausgeübt wird, kann das Transparenzpaket nicht verhindern“, sagt Parteifinanzierungsexperte Hubert Sickinger. „Es entfallen aber Anreize für Minister“, analysiert er. Schließlich sei es nun für Regierungsmitglieder verboten, in Inseraten staatsnaher Betriebe abgebildet zu sein.
Sickinger warnt aber vor anderen Szenarien: So müsse man sich genau ansehen, ob Ministerien, wenn sie in Zeitungen inserieren, einen angemessenen Rabatt fordern. Sonst könne folgender Deal passieren: Ein Politiker inseriert zum Vollpreis für sein Ministerium – und verlangt, dass dafür das Inserat seiner Partei vergünstigt werde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2012)