Noch bis Ende der Woche entscheidet ein toskanisches Gericht über rechtliche Konsequenzen nach dem Schiffsunglück. Am Rande der Verhandlung sprach der Kapitän mit Überlebenden.
Der Kapitän des im Jänner havarierten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" hat im Gespräch mit Überlebenden des Unglücks versichert, dass er ihnen das Leben gerettet habe. Dank eines Manövers nach dem Zusammenprall des Luxusliners gegen die Felsen der Insel Giglio habe er verhindert, dass es beim Unglück zu noch mehr Todesopfern kommen würde. "Ich habe Ihnen und vielen Passagieren das Leben gerettet", sagte Schettino nach Angaben des deutschen Überlebenden Michael Liessem, der sich mit seiner Frau Angelika mit dem Kapitän am Rande des laufenden Beweissicherungstermin unterhielt.
"Wir haben Schettino gefragt, wie es ihm geht. Er antwortete, er sei aufgeregt", sagte Liessem. Schettino habe ihnen versichert, dass er mit seinem Manöver in der Nacht des Unglücks eine viel größere Tragödie verhindert habe. "Anfangs war ich über Schettino sehr verärgert, doch dann habe ich zum Teil meine Meinung geändert. Er hat bewiesen, einen menschlichen Charakter zu haben. Er ist mir sympathischer erschienen", berichtete Angelika Liessem dem italienischen TV-Sender Sky TG 24.
Der Beweissicherungstermin, der am Montag begonnen hatte, läuft auch am heutigen Dienstag hinter verschlossenen Türen. Dabei soll unter anderem auf Grundlage der Daten aus der "Black Box" und nach Anhörung von Gutachtern entschieden werden, ob ein Strafverfahren eröffnet wird.
Schettino äußerte sich am Montag nicht, ließ aber über seine Anwälte erklären, er akzeptiere die Vorwürfe und wolle, dass die Wahrheit ans Licht komme. Der Kapitän hatte zuvor Fehler eingeräumt, der Reederei aber eine Mitschuld gegeben. Dem Schiffseigner Costa Crociere wirft er vor, ihn grundlos entlassen zu haben.
Eigentlicher Prozess wohl kommendes Jahr
Neben Schettino droht sechs weiteren Crew-Mitgliedern und drei Managern der Reederei Costa Crociere, die zum US-Unternehmen Carnival gehört, eine Anklage. Der eigentliche Prozess beginnt wahrscheinlich im kommenden Jahr. In den USA haben zudem 39 Passagiere Carnival auf über 520 Millionen Dollar Schadensersatz verklagt.
Beim ersten Verhandlungstag am Montag hatten die Rechtsanwälte Schettinos den indonesischen Steuermann der Costa Concordia belastet. Dieser habe die Anweisungen Schettinos nicht begriffen. Der Kapitän habe ihn aufgefordert, das Steuer nach links zu drehen, um einen Zusammenprall mit den Felsen vor der Insel zu verhindern. Dem Steuermann wird "Beihilfe" im Schiffsunglück vorgeworfen.
Überlebende belasten Reederei
Die Überlebenden machten Costa Crociere für den Verlauf der Evakuierung des Schiffes und damit auch für die Toten und Verletzten verantwortlich. Eine der zentralen Fragen der Voranhörung lautet, warum die Rettungsmaßnahmen erst eine Stunde nach der verheerenden Kollision des Schiffes mit einem Felsen eingeleitet wurden. Der US-Anwalt John Arthur Eaves sagte vor Reportern, die Katastrophe wäre nicht geschehen, wenn der Schiffseigner die "nötigen Standards" aufgestellt und eingehalten hätte. "Das Unglück hat sich vor der Insel Giglio ereignet, doch es hätte überall stattfinden können. Die Sicherheitsstandards Carnivals sind niedrig", betonte der Rechtsanwalt.
Zwei Drittel der Überlebenden haben die Entschädigung der Costa Crociere angenommen, die 14.000 Euro angeboten hatten. 23 Prozent der Passagiere haben noch keine Einigung mit der Kreuzfahrtgesellschaft getroffen.
(APA/red.)