Ungarn weitet Zwangsverstaatlichungen aus

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Die österreichische Firma Saubermacher verkauft eine Tochter in Ungarn. Zuvor hat die Budapester Regierung die Verstaatlichung der Abfallwirtschaft beschlossen. Auch Banken klagen über Probleme.

Budapest/Wien. Die ungarische Regierung verschärft die Gangart gegenüber ausländischen Investoren. Am Mittwoch wurde bekannt, dass die steirische Firma Saubermacher ihre Tochter Saubermacher Pannonia an die westungarische Stadt Nagykanizsa verkauft hat. Die Stadt habe „ein gut funktionierendes, gewinnbringendes Unternehmen“ mit Erlösen von 7,2 Mio. Euro erworben, freut sich der Bürgermeister.

Die Transaktion erfolgte nach der vom Budapester Parlament beschlossenen Neuregelung der Abfallwirtschaft. Das Gesetz sieht vor, dass die Müllentsorgung ab 2014 nur noch von Firmen, an denen die öffentliche Hand die Mehrheit hält, durchgeführt werden darf. Zudem werden die Unternehmen zur Gemeinnützigkeit verpflichtet. Gewinne müssen an die Kunden weitergegeben werden. „Das ist eine kalte Enteignung“, klagt Saubermacher-Vorstand Frank Dicker im „Presse“-Gespräch. Die Steirer sind seit 20 Jahren in Ungarn tätig.

Österreichern droht die Enteignung

Dicker befürchtet, dass nun die Hälfte der dort erzielten Umsätze von 50 Mio. Euro gefährdet sind. Neben Saubermacher sind österreichische Unternehmen wie die oberösterreichische AVE und die Abfall Service AG (ASA) betroffen.

Diese haben sich über den Verband der europäischen Entsorgungswirtschaft bei der EU-Kommission beschwert.
Als Nächstes droht österreichischen Grundbesitzern in Ungarn die Enteignung. Ein neues Gesetz werde den Kauf ungarischen Bodens durch Ausländer völlig verhindern, kündigt Regierungschef Viktor Orbán am Wochenende an. Ungarn werde sich den durch „Taschenverträge gestohlenen Boden“ zurückholen. In den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche österreichische Bürger in Ungarn eingekauft.

Doch die Brüsseler Behörden stehen den Vorgängen in Ungarn bislang tatenlos gegenüber, was auch bei Österreichs Banken für Unmut sorgt. Im Jahr 2010 hatte die Regierung in Budapest eine Sonderabgabe für die Finanzkonzerne eingeführt. Gemessen am Geschäftsvolumen handelt es sich um die höchste Bankensteuer der Welt. Sie fällt an, egal, ob die Banken Gewinne oder Verluste machen. Zusätzlich wurden die Institute per Gesetz gezwungen, in Schweizer Franken aufgenommene Kredite von Privatkunden zu einem günstigen Kurs in die Lokalwährung Forint umzutauschen. Österreichische Banken wie die Raiffeisen Bank International und die Erste Group verbuchten deswegen in Ungarn hohe Verluste.

Banken sind über die Regierung entsetzt

Zunächst sagte die Budapester Regierung zu, dass die Bankenabgabe 2013 halbiert werden soll. Doch am Mittwoch erklärte Wirtschaftsminister György Matolcsy, dass die Abgabe auf dem aktuellen Niveau bleiben werde. Der ungarische Bankenverband zeigt sich darüber entsetzt. Die Abgabe gefährdet den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes, da die Banken weniger Kredite vergeben. Seit Monaten prüfen Österreichs Banken, ob sie gegen Ungarn rechtliche Schritte ergreifen. Doch Raiffeisen-Bank-International-Chef Herbert Stepic schätzt die Chancen, dass tatsächlich geklagt wird, als gering ein. Denn ein Verfahren würde Jahre dauern. Und zudem lasse die Unterstützung der EU zu wünschen übrig.
Ungarn gehört zu jenen Ländern, die in Osteuropa besonders stark von der Finanz- und Wirtschaftskrise erwischt wurden. Die Budapester Regierung verhandelt gerade mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union über neue Kreditlinien in Milliardenhöhe.

Um die Budgetlöcher zu stopfen, plant die Regierung auch eine neue Abgabe für öffentliche Versorger und eine Verdoppelung der Finanztransaktionssteuer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2012)

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