Wilhelminenberg: Missbrauchstäter ermittelt

Wilhelminenberg: Missbrauchstäter ermittelt
Wilhelminenberg: Missbrauchstäter ermittelt(c) EPA (HERBERT PFARRHOFER)
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Jahrzehntelang kam es im früheren Kinderheim zu sexueller Gewalt – organisierte Prostitution nicht ausgeschlossen. Eine abschließende Einschätzung sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich.

Wien/Kb. Im ehemaligen Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg in Wien ist es über Jahrzehnte zu physischer, psychischer und sexueller Gewalt gekommen. Das geht aus dem dritten Zwischenbericht der Wilhelminenberg-Kommission unter dem Vorsitz von Richterin Barbara Helige hervor.

Bisher haben sich 125 Personen gemeldet. Mit 54 weiteren wurde Kontakt aufgenommen. Insgesamt führte die Kommission 144Interviews durch. Als gesicherte Erkenntnis gilt bereits jetzt: Im Kinderheim herrschte jahrzehntelang Gewalt. Die ehemaligen Heimkinder haben nicht nur die Geschehnisse selbst, sondern auch Täter, Mitwisser und Zeugen beschrieben, die teilweise auch namentlich ausgeforscht wurden.

„Traumatisierung besonders tief“

„Die Namen von möglichen Tätern – sie bewegen sich im niedrigen zweistelligen Bereich – sind uns bekannt, wir werden sie der Staatsanwaltschaft aber erst übergeben, wenn unsere Recherchen beendet sind“, sagt Helige im Gespräch mit der „Presse“. „Ob Anzeige erstattet wird bzw. die Taten verjährt sind, muss die Staatsanwaltschaft entscheiden.“

Die sexuelle Gewalt habe sich ab Mitte der 1960er-Jahre vor allem gegen Kinder gerichtet, die nicht älter als zehn Jahre waren. Wobei Traumatisierung und persönliche Betroffenheit sich als besonders tief erweisen und meist bis ins Erwachsenenalter reichen.

Nach bisherigem Erkenntnisstand habe sich auch der Verdacht des vielfachen organisierten sexuellen Missbrauchs von Heimkindern, wie er von Zeuginnen in den Medien beschrieben wurde, nicht zerstreut. Helige: „Auszuschließen ist Kinderprostitution nicht, ebenso wenig haben sich aber die Anschuldigungen in diese Richtung erhärtet.“

Eine abschließende Einschätzung sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich, aber: „Vielen Verantwortlichen war bekannt oder hätte bekannt sein müssen, dass es gewalttätige Übergriffe gab, in den Recherchen waren bisher keine Gegenmaßnahmen erkennbar.“

Die Kinder seien der Gewalt schutzlos ausgeliefert gewesen. Viele der befassten Erzieher, Ärzte, Psychiater, Pfleger und Lehrer hätten davon gewusst. Dass der Endbericht nicht wie geplant mit Jahresende vorliegt, ist ohnehin schon vereinbart: Die Laufzeit wurde bereits zuletzt bis Ende Mai 2013 verlängert. Einen weiteren Zwischenbericht wird es nicht geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2012)

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