Inmitten einer schweren wirtschaftlichen Depression stimmten die Bürger am Wochenende über den künftigen Staatschef ab. Amtsinhaber Danilo Türk galt als Favorit.
Belgrad/Ljubljana. Wer im Regen steht, den trifft der Sturz in die Traufe doppelt hart. In die Millionen gehen laut ersten Schätzungen in Slowenien die Schäden des Hochwassers an Sava und Drau in der vergangenen Woche. Der Pegel der größten Flüsse des Landes ist zwar wieder am Sinken – dem gefallenen EU-Musterland steht das Wasser aber weiterhin bis zum Hals. Die Preise steigen, die Arbeitslosenrate klettert – und das Vertrauen schwindet: Im Zeichen der schwersten Rezession seit der Unabhängigkeit 1991 stimmten die Slowenen am Sonntag über ihren neuen Präsidenten ab.
Nur fünf Kandidaten für das Amt
Mehrere Botschaften und Konsulate hatte das Außenministerium in Ljubljana in den letzten Wochen aus Spargründen schließen lassen. Und dem Sparzwang waren schon vor dem Stimmenstreit auch manche aussichtslose Kandidaten zum Opfer gefallen: Neben dem favorisierten Amtsinhaber Danilo Türk hatten sich mit dem sozialdemokratischen Ex-Premier Borut Pahor und dem konservativen Europa-Abgeordneten Milan Zver nur zwei Kandidaten um das höchste Amt in dem 1,9 Millionen Einwohner zählenden Adria-Anrainer bemüht. Letzte Umfragen hatten für den unabhängigen, eher links orientierten Türk zwar einen klaren Vorsprung vor seinen beiden Rivalen prognostiziert, doch dürfte der Jurist (Schwerpunkt Völkerrecht) unter der für die Amtsbestätigung nötigen 50-Prozent-Marke bleiben. Vermutlich wird der neue Präsident daher erst in der Stichwahl am 2.Dezember bestimmt.
Zahmer Streit um Stimmen
Auch in Slowenien fallen dem Staatschef fast ausschließlich repräsentative Aufgaben zu. Dennoch bestimmten Wirtschaftsthemen und die Frage, wie das Land die Krise bewältigen soll, den eher zahmen Stimmenstreit des Kandidatentrios. Man habe bei den Kandidatendebatten den Eindruck erhalten können, dass es sich um die Wahl eines Ministerpräsidenten und nicht um die des Präsidenten handle, kommentierte der sorgengeplagte Premier Janez Jansa bei seiner Stimmabgabe am Sonntag den Wahlkampf.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2012)