Am stärksten traf „Bopha“ die ärmliche Insel im Süden: Hunderte Menschen starben, Hunderttausende sind obdachlos, etwa 400 Menschen werden vermisst.
Bangkok/Manila. Mitten in der Schlammhölle, die der Taifun „Bopha“ in den Südphilippinen zurückgelassen hat, wirkt diese Geschichte aus dem besonders schwer betroffenen Bergort New Bataan auf Mindanao wie ein Wunder: In der Kleinstadt, die bei schweren Überschwemmungen und Erdrutschen weitgehend zerstört worden ist, haben Rettungshelfer einen 54 Jahre alten Mann geborgen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich Menschen sehe, die zwei Tage, nachdem sie von Fluten und dem Schlamm weggerissen worden sind, noch am Leben sind”, so ein Rettungshelfer.
Zwei Tage, nachdem „Bopha“ im Süden schwere Zerstörungen angerichtet hatte, haben die Behörden die Zahl der Todesopfer deutlich erhöht. Mindestens 332 Personen seien ums Leben gekommen, erklärte die Zivilschutzbehörde. Etwa 400 werden vermisst.
Wassermassen auf Armeecamp
Beinahe 200.000 Menschen haben am Donnerstag in Evakuierungszentren im Süden des Landes ausgeharrt, während sich die Behörden darum bemühten, ausreichend Lebensmittel, Wasser und Kleidung zu ihnen zu bringen. Auf der besonders schwer getroffenen Insel Mindanao haben Rettungskräfte weiter nach Überlebenden gesucht. Das Compostela-Tal, in dem auch der kleine Ort New Bataan liegt, hat die schwersten Schäden davongetragen. Rund die Hälfte der Todesopfer hat es allein dort gegeben. Das Tal liegt im Landesinneren und ist von hohen Bergen umgeben und deswegen bisher von Taifunen meist weitgehend verschont geblieben.
Das hat viele Anwohner am Dienstag offenbar dazu veranlasst, in ihren Häusern zu bleiben – was vielen von ihnen das Leben gerettet haben könnte. Denn Dutzende Bewohner kamen ums Leben, als eine unerwartet hohe Flutwelle beinahe gleichzeitig drei Evakuierungszentren erfasste und zerstörte. In dem Ort starben auch mehrere Soldaten, als die Wassermassen ihr Armeecamp fortgerissen haben. Die Soldaten sollten nach dem Taifun als Katastrophenhelfer eingesetzt werden.
Überlebende, die auf höher gelegenes Terrain geflohen waren, berichteten von Erdrutschen und entwurzelten Bäumen, die von den Berghängen ins Tal gestürzt sind und weitere Todesopfer verursacht haben. Die Überschwemmungen waren offenbar so schwer, dass einige Anwohner vermuteten, ein Wasserreservoir auf einem der Berge könnte nachgegeben haben.
Anfällig für Überschwemmungen
Dabei war den Behörden schon seit einiger Zeit bewusst, dass es in New Bataan zu einer Katastrophe kommen könnte. Die Kleinstadt ist erst 1968 von Bananen-, Mango-, Kakao- und Kokosnuss-Bauern gegründet worden. Teile der angrenzenden Berge sind für die Landwirtschaft gerodet worden. Mehrere Flüsse ziehen sich quer durch das Tal. Viele Anwohner haben ihre Häuser direkt an das Wasser oder an die Berghänge gebaut. Die Regierung warnte, dass die Gegend „hochgradig anfällig für Überschwemmungen und Erdrutsche” sei.
Nicht ohne Grund erinnert die Tragödie von New Bataan an den tropischen Wirbelsturm „Washi“, der vor beinahe genau einem Jahr mehr als 1200 Todesopfer im Norden von Mindanao gefordert hatte. Damals hatten schwere Regenfälle mehrere Flüsse stark anschwellen lassen. Unzählige Hütten, die illegal direkt an die Ufer gebaut worden waren, wurden zerstört.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2012)