Berlin: Tour de Toilette an Havel und Spree

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Die Hackeschen Höfe lösen nur noch ein Gähnen aus. Doch es gibt Stadtführungen, die sogar echte Berliner spannend finden.

Als Treffpunkt gibt Stadtführerin Anna Haase immer das „Café Achteck“ auf dem Gendarmenmarkt an. Damit ist aber kein Café, sondern ein achteckiges, historisches Klohäuschen gemeint. Es ist so blitzsauber, als ob der Putzservice das Kommen der Besuchergruppe erwartet hätte. Anna Haase ist nicht nur diplomierte Stadtführerin, sie hat auch selbst schon als Klofrau gearbeitet.

Anrüchig wird es auf der Tour de Toilette mit dem Besuch von sieben Klohäuschen aber nicht, ganz im Gegenteil. „Nach der Wende machte Berlin einen Quantensprung in der Toilettenhygiene“, erfahren die Teilnehmer. Vor dem Mauerfall hatten 60 Prozent der Wohnungen etwa im Stadtteil Friedrichshain nur Außentoiletten im Treppenhaus, recherchierte Haase. Bereits 1864 gab es die erste öffentliche Toilette in Berlin, allerdings nur für Herren. Damen trugen keine Unterwäsche und mussten ihr „Geschäft“ in den Büschen erledigen.

Nach dem Café Achteck, dessen Benutzung übrigens kostenlos ist, geht es in einen hypermodernen Klotempel, der sich nach Benutzung selbst reinigt und auch für Rollstuhlfahrer geeignet ist. Es ist warm drinnen, und sanfte Lounge-Musik macht das Geschäft zum Vergnügen. Am Potsdamer Platz steht die historische Toilettenanlage im Kaisersaal auf dem Programm. „Das ist die Anlage, die der Kaiser benutzte“, sagt Anna Haase. Wenn die Gruppe gut drauf ist, führt Haase sie in Berlins älteste Erlebnis-Kneipe, das leicht angestaubte „Klo“. Dort sitzt man auf Kloschüsseln und trinkt aus Nachttöpfen per Zapfhahn direkt am Tisch, außerdem lässt der Wirt Bänke vibrieren und Tische heben und senken, um Stimmung in die Bude zu bringen. www.annahaase.de

Pleiten, Pech und Pannen

Schon im Zentrum, auf dem Alexanderplatz, kann Arno Paulus fast zu jedem Gebäude Anekdoten erzählen, die in die beliebte Berliner Rubrik „Pleiten, Pech und Pannen“ passen. Eine der größten Pleiten mit Milliardenverlusten im neuen Berlin legte die Bankgesellschaft Berlin mit dubiosen Fondsgeschäften und hochriskanten Immobilienkrediten hin. Die Rathauspassage auf der anderen Seite des Platzes wurde um rund 250 Millionen Euro für eine große amerikanische Supermarktkette renoviert und erhielt zudem ein riesiges Parkhaus. Die Kette zog sich aber zurück, nun freut sich ein Autoreparaturservice über das Parkhaus. Selbst auf dem Boden lauert Stoff für Pannen: Die Platten, mit denen der karge Alexanderplatz neu gepflastert wurde, stammen aus China. Dadurch verzögerte sich die Bauzeit um eineinhalb Jahre, obwohl es ähnliche Platten auch aus deutscher Produktion gibt. Die neueste Folge der Pannenserie liefert der neue Airport Berlin-Brandenburg, dessen Eröffnung immer wieder verschoben wird. Innerhalb von weniger als drei Stunden, so rechnet der Besucher fröstelnd nach, kommt so eine erkleckliche Milliardensumme zusammen, die sich in der Berliner Luft auflöst. www.solarpolis.de, Telefon: +49/(0)151/542 280 44

Galerie-Hopping

Berlin Mitte soll weltweit die dichteste Konzentration an Galerien aufweisen, und wer die Brunnenstraße oder die Auguststraße entlangflaniert, kann dies gut nachvollziehen. In den letzten 20 Jahren haben sich hier Künstler aus aller Welt angesiedelt, die verhältnismäßig günstigen Gewerbemieten taten das Ihrige. Rund 10.000 Künstler leben in Berlin. 600 Galerien soll es in der Stadt geben, die Fluktuation ist stark. Besonders die zeitgenössische Kunst ist stark vertreten, Galerien wie Lee galerie, Lacke Farben, Koch Oberhuber Wolff, Birgit Ostermeier sind in der Szene ein Begriff. Allerdings sind die Galerien nicht immer geöffnet, gut also, einen Führer dabeizuhaben, der als Türöffner fungiert und die Geschichte jeder Galerie kennt. Von Berlin Mitte, wo die Mieten derzeit steigen, wandert die Szene nun in die Bezirke Schöneberg, Kreuzberg und Neukölln. Eine ganz besondere Galerie befindet sich im ehemaligen Bunker an der Reinhardtstraße. In 80 Räumen dieses Betonungetüms zeigt ein Kunstsammler seine Schätze, Kunst von 1990 bis heute. Go Art bietet auch Street-Art-Touren und Modedesign-Touren an.


www.sammlungs-boros.de, www.goart-berlin.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2013)

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