Königsmord beim FDP-Dreikönigstreffen knapp vermieden

Eklat bei der liberalen Motivationsveranstaltung: Minister Niebel will seinen Parteichef Rösler rasch loswerden.

Stuttgart. Philipp Rösler kann einem leidtun. Das Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart geriet für den angezählten Parteivorsitzenden zu einem Spießrutenlauf. Schon auf dem Weg durch die Stadt musste der Wirtschaftsminister und Merkel-Vize, formell der zweitwichtigste Politiker Deutschlands, auf den Plakaten zur Motivationsveranstaltung sehen, wo ihn seine Partei mittlerweile einordnet: an der letzten Stelle. Die schwäbischen Liberalen verstecken ihren glücklosen Chef lieber, statt sich mit ihm zu schmücken.

In der ehrwürdigen Staatsoper hingen feiertagsgerecht die Weihrauchschwaden. Aber mit der Nächstenliebe war es nach dem obligaten Sternsinger-Gruppenfoto im Foyer vorbei. Als Rösler die Bühne betritt, bleibt der Applaus demonstrativ lau. Um umso heftiger aufzubranden, als der beliebte Fraktionschef Rainer Brüderle zusammen mit Hans-Dietrich Genscher auftritt – dem Ehrenvorsitzenden im gelben Pullunder. Eine Ohrfeige für Rösler: Es ist ein offenes Geheimnis, dass Genscher im Hintergrund seine Ablöse orchestriert. Und dass Brüderle übernehmen soll, was sich auch drei Viertel aller FDP-Wähler wünschen.

„Es zerreißt mich innerlich“

Dann der Eklat. Entwicklungsminister Dirk Niebel nutzt seine Rede zu einem Putschversuch: „So wie jetzt kann es nicht mehr weitergehen. Es zerreißt mich innerlich, wenn ich den Zustand der Partei sehe“. Sie sei nämlich falsch aufgestellt, so als hätte ein Fußballtrainer den Torwart zum Stürmer gemacht. Geschocktes Raunen, „aufhören!“ stöhnt es laut aus dem Publikum. Aber der rabiate Rösler-Kritiker lässt nicht locker: Er wisse ja, dass er mit seinen „vorlauten Bemerkungen“ ein „hohes persönliches Risiko“ eingehe.

Der Niedersachse Rösler hat sein Schicksal mit dem Ausgang der dortigen Regionalwahl am 20. Jänner verknüpft. Fliegt die FDP aus dem Landtag, tritt er zurück. Bei einem respektablen Ergebnis möchte er wohl weiterkämpfen. Das will Niebel verhindern: Für Personalentscheidungen sei es am Parteitag im Mai „viel zu spät“, und sie dürfen auch „nicht von Landtagswahl-Ergebnissen abhängen“. Jetzt müssen sie fallen.

Doch zum Königsmord auf offener Bühne reicht es nicht. Rösler pariert auf seine Weise, als braver Musterschüler mit besten Manieren. Wie bestellt läuft während seiner Ansprache eine Rüpel-Version seiner Gegner bei der Seitentür herein und nennt ihn „Arschloch“. Darauf Rösler ruhig: „Man kann auch höflicher formulieren, dass man sich gering schätzt“. Und dann, ganz offiziell: Er habe kein Problem damit, kritisiert zu werden, aber ob die Liberalen glaubwürdig wirken, das sei „auch eine Frage des Stils“.

Mitleid für Parteichef

Als dann noch Grüne von einer Loge per ausgestreuten Flugblättern frohlocken, dass die Tage der FDP im Bundestag gezählt seien, scherzt Rösler tapfer: Das könnten keine echten Grünen sein, die würden „Papier nicht einfach wegwerfen, das wird doch gesammelt“. Sonst aber blieb seine Rede nachdenklich, dezent im Ton, defensiv im Inhalt. Er erntete wohlwollendes Mitleid, die Herzen aber flogen Brüderle zu, dem Politprofi, der sich noch mit 67 für die liberale Sache heiser schreit. Der 85-jährige Genscher sah es mit Wohlwollen. Sein Favorit wäre zwar die Nachwuchshoffnung der Partei, Christian Lindner. Die beiden schreiben ein Buch zusammen, der Grande von gestern ist voll des Lobes für den Mann von morgen. Der aber hat versprochen, in Nordrhein-Westfalen zu bleiben. Also soll Brüderle das Kommando übernehmen und Lindner als Vize seine Stunde abwarten.

In den Tagen vor der Kundgebung glich die FDP einem Tollhaus. Die potenziellen Königsmörder wetzten die Messer in Interviews, um den Parteichef mürbe für den Rücktritt zu machen. Präsidiumsmitglied Wolfgang Gerhardt etwa gab Rösler vergiftete Ratschläge: „Politik erfordert von jedem, sich immer wieder zu überprüfen, ob man seine Aufgaben noch schafft“. Der Machtkampf rief auch Kritiker der Kritiker auf den Plan. So hieß es von den Jungen Liberalen, viele Präsidiumsmitglieder „seien nur damit beschäftigt, auf das eigene Personal zu ballern“. Dabei hat der Showdown erst begonnen.

Auf einen Blick

Das Dreikönigstreffen am 5. und 6. Jänner ist der traditionelle Jahresauftakt der deutschen Liberalen. Es findet immer im Staatstheater Stuttgart statt.

In diesem Jahr lag besonderes Augenmerk auf dem Treffen, gibt es doch seit Wochen FDP-intern Forderungen nach einer neuen Führung der Partei. Kritik an FDP-Chef Philipp Rösler dominierte denn auch das Treffen. Rösler rief zu Geschlossenheit auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2013)

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