Analyse: Wien bleibt das rote Bollwerk

Wien bleibt rote Bollwerk
Wien bleibt rote Bollwerk(c) APA/Hans Klaus Techt
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Wien ist das einzige Bundesland, in dem es eine Mehrheit für das Berufsheer gab - obwohl Michael Häupl wenig motiviert in den Kampf zog.

„Ich habe niemanden hineintheatert“, grantelte Bürgermeister Michael Häupl wenige Tage vor der Wehrpflicht-Volksbefragung als Reaktion auf eine Journalistenfrage, als er missmutig neben Verteidigungsminister Norbert Darabos saß und nicht gerade hyper-motiviert für die Abschaffung der Wehrpflicht warb. Die Stimmung des mindestens zweitmächtigsten Mannes der österreichischen Sozialdemokratie war im Vorfeld der Befragung nicht gerade die beste. Das hat seinen Grund: Nahezu alle Umfragen prophezeiten einen Sieg der Wehrpflicht-Befürworter. Also der ÖVP. Es war nicht das erste Mal, dass Häupl von Journalistenfragen genervt war, die seine persönliche Verantwortung für den Ausgang der Bundesheer-Abstimmung hinterfragt hatten. Und nach dem klaren Sieg der Wehrpflicht-Befürworter wird sich Häupls Laune auch in den nächsten Tagen nicht bessern. Dass Wien das einzige Bundesland war, in dem die Wehrpflicht-Gegner die Mehrheit stellten, zeigt, dass Häupl die notwendigste Pflicht erfüllt hat: 53,7 Prozent stimmten in Wien für ein Berufsheer. Doch auch die Wiener SP-Mobilisierung hat nicht überragend funktioniert. Denn mit einer Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent liegt Wien unter dem Schnitt der anderen Bundesländer.

Was bleibt: Die SPÖ muss also im Super-Wahljahr 2013 mit einem gewaltigen Fehlstart klarkommen; dank des Wiener Bürgermeisters.

Häupl und die „Krone“

Rückblende ins Jahr 2010. Wien steht vor Landtagswahlen. Häupl ist wieder nicht gut gelaunt – sagen doch einige Meinungsumfragen voraus, dass die Wiener SP ihre absolute Mehrheit verlieren könnte. Macht zu teilen sorgt bei dem Wiener Bürgermeister naturgemäß für wenig Freude. Deshalb griff Häupl in die Trickkiste. In der „Krone“ gab er – zur völligen Überraschung der Öffentlichkeit und der eigenen (Bundes-)Partei – die neue Linie vor: Die SPÖ ist für ein Berufsheer und gegen die Wehrpflicht. Man könne doch auch dazu das Volk befragen, meinte der Wiener Bürgermeister. Das Kalkül war klar. Einerseits warb Häupl um die Gunst der „Krone“ im Wien-Wahlkampf, die eine Kampagne gegen die Wehrpflicht führte. Andererseits war das Ziel die Mobilisierung junger Männer. Die Botschaft: Wer Wiens SP wählt, dem bleibt das Bundesheer erspart.

Die Sache ging schief. In mehrfacher Hinsicht. Die Wiener SP verlor trotzdem ihre absolute Mandatsmehrheit und musste einen Koalitionspartner ins Boot holen. Es ging auch Häupls Kommunikation mit der Bundespartei und den Länderorganisationen schief.

Nicht nur die rote Basis hatte österreichweit Probleme, dem plötzlichen Schwenk zu folgen. Gerade in der Wiener SPÖ wurde von Generation zu Generation die Erinnerung an das rote Trauma weitergegeben, nämlich an den Februar 1934, als das (Berufs)Heer auf Arbeiter im Karl-Marx-Hof in Döbling schoss.

Der rote Kampf gegen die Wehrpflicht entglitt vollends, als (nicht nur) die Salzburger Landeshauptfrau Gabriele Burgstaller und der steirische Landeshauptmann Franz Voves Bundeskanzler Werner Faymann die Gefolgschaft verweigerten. Und Verteidigungsminister Norbert Darabos verzweifelt zu erklären versuchte, warum der Stein, in dem die Wehrpflicht für ihn gemeißelt war, plötzlich zerbröselte.

Und Michael Häupl? Der sah sich diese Entwicklung seit 2010 erste Reihe fußfrei an – relativ gelangweilt. Man könnte auch sagen, dass er nach dem gescheiterten Wahlkampf-Gag die Lust am Kampf für ein Berufsheer verloren hatte. Nur in der letzten Phase schaltete er sich ein, indem er (mit Faymann) Briefe an Wiener versandte und für ein Berufsheer warb. Die „schlagkräftigste“ Waffe, die seine Wiener SP ins Feld schickte, war das Punsch-O-Mobil. Also ein rotes Auto mit einer Handvoll Funktionären, die durch die Wiener Bezirke fuhren, Punsch verteilten und Durstigen eine Broschüre für das Berufsheer in die Hand drückten. Aber sogar das hat im roten Wien für eine SP-Mehrheit gereicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2013)

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