Es gibt doch noch Politik – südlich des Semmerings

Während anderswo in Strukturstarre verharrt wird, zeigt die steirische Regierung Reformeifer. Das hängt mit ihrem Versagen in den ersten fünf Jahren zusammen.

Sie gibt es also wirklich: Reformen. Die meisten Wähler und Steuerzahler kennen sie ja nur aus den dutzendfachen Studien von Wifo, IHS, Rechnungshof oder Staatsschuldenausschuss, in denen sie mitsamt ihren Einsparungspotenzialen beschrieben sind. In der freien Wildbahn waren sie nur in den seltensten Fällen ersichtlich. Anders Anfang der Woche in der Grazer Burg. Da stellten der steirische Landeshauptmann Franz Voves und sein Vize, Hermann Schützenhöfer, ihren Plan zur deutlichen Reduktion der Zahl der Gemeinden in der Steiermark vor. Statt wie bisher 539 Gemeinden (von denen 77 weniger als 500 Einwohner haben) soll es künftig zwischen Bad Radkersburg und Schladming nur noch 285 Ortschaften und Städte geben.

Dies soll den Gemeinden einerseits mehr Geld aus dem Finanzausgleich bringen, wird andererseits aber vor allem Kosten in der Verwaltung sparen. Denn wo weniger Gemeinden sind, da braucht es auch weniger Bürgermeister und Gemeinderäte. Zudem können Maßnahmen wie der Winterdienst auf den Gemeindestraßen in größeren Einheiten effizienter erledigt werden.

Laut Wifo könnte sich die Republik durch solche Verwaltungsreformen in Summe 2,5 Milliarden Euro pro Jahr ersparen. Eine Menge Geld, wenn man bedenkt, dass für die notorisch unterfinanzierten Universitäten jährlich zwei Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Wie das gehen kann, zeigt das Beispiel Dänemark. Dort wurde vor sechs Jahren die Zahl der Gemeinden von 271 auf 98 reduziert. Keine Gebietskörperschaft hat seither weniger als 20.000 Einwohner. Der Effekt: Die sechs Millionen Dänen geben pro Kopf um elf Prozent weniger als die acht Millionen Österreicher für Verwaltung aus. Hierzulande gibt es nämlich immer noch 2354 Gemeinden, 95 Bezirke und neun Bundesländer.


Im Großteil Österreichs werden diese seit Langem bekannten Fakten von den verantwortlichen Politikern auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene mit einem Schulterzucken hingenommen. Aus der Steiermark sind seit rund zwei Jahren jedoch regelmäßig erfreuliche Berichte zu hören. So ist die Gemeindefusion, die in knapp 50 Fällen auch gegen den Willen der betroffenen Bürgermeister erfolgen soll, nicht die erste Strukturbereinigung südlich des Semmerings. Zuvor wurden bereits acht steirische Bezirke zu nur mehr vier verschmolzen, ohne dass die von den Befürwortern einer möglichst teuren Verwaltungsstruktur so gern vorgebrachte „Bürgernähe“ verloren gegangen wäre. Dafür gehört der steirischen Landesregierung – bei aller grundsätzlichen Kritik an der österreichischen Auslegung des Föderalismus – ein eindeutiges Lob ausgesprochen.

Allerdings gibt es auch einen Grund für den Reformeifer des Landesduos Voves/Schützenhöfer seit ihrer zweiten Angelobung im Jahr 2010: ihr drastisches Versagen in den fünf Jahren zuvor. Die Grazer Regierung lebte in der ersten Amtszeit nämlich in Saus und Braus und gab jedes Jahr deutlich mehr aus, als sie einnahm. Und während man in Niederösterreich Wohnbaukredite verkaufte, um mit dem Geld ohne großen Erfolg auf dem Finanzmarkt zu spekulieren, wurde dieses Geld in der Steiermark gleich zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet. So meinte der damalige Finanzlandesrat Christian Buchmann bereits vor fünf Jahren: „Ab 2011 stehen wir mit dem Rücken zur Wand.“

Die jetzigen Reformen sollten aber ein Vorbild für den Rest des Landes sein. Denn auch hier deutet ja alles auf ein immer näher kommendes finanzielles Mit-dem-Rücken-zur-Wand-Stehen hin. So schaffte es der Bund das letzte Mal vor fast sechzig Jahren (1954!), weniger auszugeben, als einzunehmen. Die Regierung in Wien verschanzt sich zurzeit dennoch lieber in den Schützengräben von Berufsheer und Wehrpflicht.

Welche Schlüsse können also aus den Entwicklungen in der Steiermark gezogen werden? Dass das ebenfalls drastische Versagen in der ersten Amtszeit des Duos Faymann/Spindelegger in einer zweiten Amtszeit wie in Graz zur Wandlung hin zur Reformfreude führen könnte? Wohl kaum. Träumen wird man aber wohl noch dürfen.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2013)

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