Netanjahus Sieg muss nicht bedeuten, dass der Friedensprozess nun ganz tot ist.
Was für ein schöner Zufall: Am Montag wird der eine mit großem Pomp in Washington für eine zweite Amtszeit vereidigt, tags darauf gewinnt der andere die Parlamentswahl in Israel. Haben sie einander also wieder, Barack Obama und Benjamin Netanjahu. Man muss auch im Nahen Osten kein Prophet sein um zu wissen, dass bei beiden die Begeisterung darüber überschaubar ausfällt.
Netanjahu hat es Obama nie verziehen, dass der zu Beginn seiner ersten Amtszeit in Sachen Siedlungspolitik Tacheles geredet hat. Umgekehrt ist der US-Präsident wenig erbaut, dass ihm Israels Premier seit Jahren die Iran-Agenda diktieren will.
Es müsste an ein Wunder grenzen, so könnte man meinen, wenn im Nahost-Friedensprozess da etwas vorangeht. Doch kommen Wunder in dieser der Gegend gelegentlich vor, vor allem gibt es aber handfeste realpolitische Gründe, die ein wenig Optimismus erlauben: Erstens muss Barack Obama, frei von Sorgen um seine Wiederwahl, nicht mehr auf pro-israelische Lobby-Organisationen schielen. Zweitens hat sich Israels Lage durch den Arabischen Frühling signifikant verschlechtert: In Ägypten regieren Islamisten, Syrien versinkt im Chaos, Jordanien ist instabil. Da braucht Israel die USA wie einen Bissen Brot. Obama kann also Bedingungen stellen – und versuchen, seinen Friedensnobelpreis nachträglich noch zu verdienen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23. Jänner 2013)