Prominentem Ex-Journalisten gelang mit seiner liberalen Partei ein Überraschungserfolg. Außenpolitische Agenda hat er keine.
Jerusalem/Kna. Yair Lapid gibt sich volksnah, als er zusammen mit seiner Frau in ein Sammeltaxi steigt, um zur Wahlparty zu fahren. Vielleicht ist das das Geheimnis des Überraschungszweiten bei Israels Parlamentswahl vom Dienstag. Via Facebook wandte er sich schon kurz nach Veröffentlichung erster Exit Polls mit einem knappen „Danke“ an seine Wähler.
Seit 20 Jahren kommt Lapid mit Fernsehshows oder als Anchorman eines Nachrichtenmagazins in die israelischen Wohnzimmer, wie mit seiner wöchentlichen Kolumne in der auflagenstarken Tageszeitung Yediot Achronot. Von null auf 19 Mandate startete der knapp 50-jährige Chef der Partei „Jesh Atid“ („Es gibt eine Zukunft“) seine politische Karriere, die seine letzte sein soll: „Ich bin in die Politik gegangen, um hier zu bleiben“, sagt er.
Genau zehn Jahre ist es her, dass Tommi (Josef) Lapid, Yairs Vater, mit seiner antireligiösen Partei Schinui in die Knesset einzog.
Beide haben sich als Journalisten einen Namen gemacht, beide schreiben den Kampf gegen das ultraorthodoxe Establishment auf ihre Fahnen. Wie damals der Schinui mangelt es heute der Zukunftspartei an Wurzeln, Institutionen und langjährigen Aktivisten. Wie Schinui werde auch die Zukunftspartei so schnell von der Bildfläche verschwinden, wie sie aufgetaucht ist, sagen ihr schon jetzt politische Analysten voraus.
„Weltliche Antwort auf Shas“
Was Vater und Sohn unterscheidet sind Äußerlichkeiten. Tommi Lapid war schon über 70, als er Politiker wurde, schwergewichtig und streitbar, während der aparte, durchtrainierte Yair es behutsam vermeidet anzuecken. Der junge Lapid versucht, möglichst viel auf einen Nenner zu bringen und bleibt dabei inhaltlich vage. Eine Partei, die den Mittelstand vertritt, soll seine Liste sein, die „weltliche Antwort auf Shas“. Auf keinen Fall will er als links gelten, sondern Mitte-rechts, mit Betonung auf „Mitte“.
Er will Reformen im Erziehungssystem vorantreiben, den sozialen Wohnungsbau und eine „gerechte Verteilung“ der staatsbürgerlichen Pflichten, also den Wehrdienst auch für Orthodoxe.
Auch einen Friedensprozess soll es geben, nur weiß keiner genau, wie. Die Zukunftspartei hat im Grunde keine außenpolitische Agenda, und die Tatsache, dass ihr Chef Lapid seinen Wahlkampf ausgerechnet in einer Siedlung gestartet hat, signalisiert den Palästinensern nichts Gutes. Jerusalem, so ließ er im Verlauf einer Wahlveranstaltung durchblicken, soll ungeteilt bleiben.
Er sei aufgeregt, sagte er zu Reportern, als erste Hochrechnungen veröffentlicht wurden. Vor den Aktivisten erzählt er vom Wahltag vor zehn Jahren, an dem sein Vater 15 Mandate gewann. Als er das Ergebnis hörte, sei seinem Vater „die ganze Verantwortung, die ab jetzt auf seinen Schultern lastete, klar geworden“. Dem Sohn schien es nicht anders zu gehen.
Schon im Vorfeld der Wahl signalisierte er, dass er Netanjahu als Koalitionspartner gern zur Verfügung stünde. Mit seinen 19 Mandaten kann er hohe Ministerposten fordern. Seiner Agenda würde das Erziehungsministerium entsprechen, Sozialwesen oder das Wohnungsbauministerium. Will er hinter seinem Vater nicht zurückstehen, müsste er höher zielen. Tommi Lapid war Justizminister.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2013)