EU-Partner zeigen London kalte Schulter

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David Cameron droht mit seinem Druckmittel eines Referendums zu scheitern, weil die großen EU-Partner den Briten keine Sonderrechte mehr zugestehen wollen. Ein EU-Austritt wird realistisch.

London. Die Reaktion kam rasch und war eindeutig: Die beiden großen EU-Länder Frankreich und Deutschland wollen Großbritannien keine neuen Sonderrechte mehr zugestehen. Sie möchten sich auf das Druckmittel des britischen Premiers, der am Mittwoch ein Referendum über den Verbleib seines Landes in der EU angekündigt hat, nicht einlassen.

David Cameron hat den Einsatz in der Europapolitik mit seiner Rede in London noch einmal erhöht. Bleiben die EU-Partner hart, werden die Briten möglicherweise Ende 2017 nicht über eine neue Sonderrolle der Insel in der Europäischen Union, sondern lediglich über ein Ende der Mitgliedschaft entscheiden. Ein Recht, das ihnen der Lissabon-Vertrag mit der Austrittsklausel zugesteht.

„Wünsche offenere EU“

Mit dem Austritt würde Großbritannien sein Recht verlieren, als gleichberechtigter Partner am EU-Binnenmarkt teilzunehmen. Die restlichen EU-Staaten würden einen der wichtigsten globalen Player in der Außen- und Sicherheitspolitik verlieren.

In seiner lang erwarteten und mehrfach verschobenen Grundsatzrede sagte Cameron am Mittwoch: „Es ist Zeit, dass die britische Bevölkerung eine Entscheidung treffen darf.“ In der Volksabstimmung soll das Volk die Wahl haben zwischen einer Mitgliedschaft „zu veränderten Bedingungen“ und dem EU-Austritt.

Cameron unterstrich, dass er für die weitere EU-Mitgliedschaft sei, allerdings unter der Bedingung von Anpassungen: Er wünsche sich eine „flexiblere, anpassungsfähigere und offenere EU“ und versprach: „Ich werde nicht ruhen, bis diese Debatte gewonnen ist.“ Die Kritik, dass eine Volksabstimmung nicht zuletzt für die britische Wirtschaft destabilisierend sei, wischte der Chef der Konservativen vom Tisch: „Das Fragezeichen schwebt sowieso über uns. Da ist es besser, die Frage direkt anzugehen.“

Nach dem Plan des britischen Premiers soll noch vor der nächsten Unterhauswahl 2015 ein Gesetzesentwurf über eine Volksabstimmung ausgearbeitet werden. In den Wahlkampf 2015 will Cameron seine Partei dann mit dem Versprechen führen, in Verhandlungen mit Brüssel einen „neuen Status“ der EU-Mitgliedschaft zu erreichen. Das Volk soll danach die Wahl haben, das Ergebnis dieser Gespräche zu bestätigen oder für den Austritt aus der Union zu stimmen. Diese Volksabstimmung soll bis November 2017 stattfinden.

Nur bei Wahlsieg der Tories

Voraussetzung dafür ist ein Wahlsieg der Konservativen. Nicht nur der liberale Koalitionspartner, auch die oppositionelle Labour Party lehnt ein Referendum ab. Labour-Chef Ed Miliband warf Cameron vor, seine Rede habe ihn als „schwachen Premier, der von seiner Partei vor sich hergetrieben wird und der nicht das nationale Wirtschaftsinteresse im Auge hat“, gezeigt. Tatsächlich wird die konservative Tory-Partei seit Jahrzehnten von einem tiefen Riss in der Haltung zu Europa durchzogen. Ob es Cameron mit seiner Initiative gelingt, dieses Thema beizulegen, bleibt fraglich.

Auffällig offen blieb in Camerons Rede zudem der entscheidende Punkt, welche konkreten Änderungen er sich von der EU eigentlich wünscht. Ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft wäre das zweite Mal, dass die Briten sich in der Situation befinden, über ihre Position in Europa zu entscheiden. Nach dem Beitritt 1973 erfolgte 1975 ein Referendum, ob das Land in der Gemeinschaft bleiben soll. Es ging mit 67Prozent klar für die Mitgliedschaft aus. Nach der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov vom Dienstag würden derzeit 40 Prozent für einen Austritt und 37 Prozent für einen Verbleib in der EU stimmen. Der Rest ist unentschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2013)

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