Mali: „Jeder kann Milizen gründen, wenn das Geld stimmt“

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Nach der Vertreibung der Islamisten aus Kidal steigt unter den separatistischen Tuareg-Rebellen und Arabern die Angst vor Racheaktionen. Menschenrechtler fürchten derweil um das Wohlergehen der Zivilbevölkerung.

Die Islamisten verließen Kidal kampflos, wie schon Timbuktu und Gao. „Die Franzosen kamen um 21.30 Uhr in drei Flugzeugen“, berichtete Haminy Maiga, Interimspräsident der Regionalversammlung. „Sie übernahmen den Flugplatz und fuhren in die Stadt.“ Die Islamisten von Ansar al-Dine hatten die 1500 km nordöstlich von Malis Hauptstadt Bamako gelegene Stadt regiert.

Der Flughafen war ein Dreh- und Angelpunkt des internationalen Drogenschmuggels. „Das Millionengeschäft ist einer der wichtigsten Hintergründe der Krise in Mali“, erklärte Ahmedou Ould Abdallah. Der 72-jährige Mauretanier war UN-Beauftragter und unterhält heute einen Thinktank.

Unklar ist, wer nach dem Abzug der Islamisten die Kontrolle in der Stadt übernahm. Die separatistischen Tuareg-Rebellen der MNLA behaupten, in die Stadt einmarschiert zu sein. Sie haben im Jänner letzten Jahres die Rebellion gegen die Zentralregierung überhaupt erst gestartet, auf die die Islamisten dann aufgesprungen sind. Auch die „Islamische Bewegung Azawad“, eine Abspaltung von Ansar al-Dine, behauptete, die Stadt übernommen zu haben. Die Gruppe will mit dem französischen Militär in Kontakt sein und über ihren Status verhandeln. Der Sinneswandel kommt etwas spät, dürfte sie wenig Trümpfe besitzen.

Mit der bisher erfolgreichen französischen Intervention stehen die Tuareg mit dem Rücken zur Wand. Mehr als ein halbes Jahr haben sie mit den islamistischen Extremisten gemeinsame Sache gemacht. „Pragmatismus ist in dieser Region völlig normal“, erläutert der mauretanische Ex-Diplomat Abdallah. „Sehen Sie, jeder kann hier eine Miliz gründen, wenn nur das Geld stimmt. Und alle sind begeistert von der neuen Sache.“

Kaltblütig hingerichtet

Menschenrechtler fürchten derweil um das Wohlergehen der Zivilbevölkerung. Nach der Befreiung Timbuktus wurden Geschäfte von Tuareg und Arabern geplündert. Ein Mob wollte zwei Händler lynchen, denen man Unterstützung der Islamisten vorwarf. Bereits Mitte Jänner sollen Soldaten der Armee Tuareg und Araber kaltblütig hingerichtet haben, die man als Islamisten verdächtigte. Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) hat bereits eine Untersuchung in Mali eingeleitet.

In Kidal, der Hauptstadt der Tuareg-Rebellion, wird sich zeigen, wie sehr die Armee gewillt ist, internationales Recht zu respektieren. „Die Tuareg sind an dem ganzen Schlamassel schuld“, lautet die populäre Meinung in Mali. „Ob Tuareg oder Islamisten, da gibt es keinen Unterschied“, meint ein malischer Soldat stellvertretend für seine umstehenden Kameraden. Im Norden Malis machen die Tuareg nicht mehr als 15 Prozent der Bevölkerung aus. Ihr unabhängiger Staat, den sie im März 2012 ausriefen, galt als Diktat einer ethnischen Minderheit in der Region. Unter den Tuareg geht nun die Angst um, dass es zu Racheaktionen kommen könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2013)

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