Der Politologe Matthew Levitt rechnet nicht mit einem Gegenschlag.
Wien. Der Terrorismusexperte und Hisbollah-Kenner Matthew Levitt beriet die Regierung von Ex-US-Präsident George W. Bush. Derzeit arbeitet er am Washington Institute for Near East Policy.
Die Presse: Was sind Ihre letzten Informationen über das angegriffene Ziel?
Matthew Levitt: Es deutet darauf hin, dass es etwas mit der Hisbollah zu tun hat. Für Israel wurde offenbar eine rote Linie überschritten, und diese Linie liegt nicht erst bei chemischen Waffen, sondern schon bei ausgefeilteren Luftabwehrwaffen, mit denen man auch Passagierflugzeuge abschießen könnte.
Sind das Waffen, über die die Hisbollah bisher nicht verfügte?
Sie wären ausgereifter als das, was sie in diesem Bereich bisher hatte. Und aus westlicher Perspektive sind solche Luftabwehrwaffen definitiv nicht das, was man gern in den Händen einer Organisation wie der Hisbollah sehen möchte.
Rechnen Sie mit einem Vergeltungsschlag der Hisbollah?
Ihr Führer Hassan Nasrallah will derzeit sicher keine militärische Konfrontation mit Israel riskieren. Ich glaube also nicht, dass es zu einem Gegenschlag kommt. Seit Jahren gibt es immer wieder Nadelstiche, ohne dass dies zu einem Krieg geführt hätte. Die Hisbollah nimmt übrigens schon seit einiger Zeit israelische Touristen im Ausland ins Visier. Sollte es da in den nächsten Tagen wieder eine Aktion geben, heißt das aber nicht, dass es in direktem Zusammenhang mit dem Angriff vom Mittwoch steht.
Syriens Assad-Regime scheint sich langsam dem Ende zuzuneigen.
Was bedeutet das für die Hisbollah?
Auf Geheiß des Iran wird die Hisbollah Assad bis zuletzt unterstützen. Ein neues Regime in Syrien wird sicher nicht mehr so Hisbollah-freundlich sein wie das jetzige, aber deshalb muss es sich nicht gleich gegen die Hisbollah stellen. Das neue Syrien wird jedenfalls ein schwacher, möglicherweise auch geteilter Staat sein.
Das Engagement an der Seite Assads hat dem Image der Hisbollah zu Hause geschadet, weil sie dadurch den Konflikt aus Syrien in den Libanon hineingetragen hat. So wurde aus einem syrischen Problem ein innerlibanesisches Problem, mit der Folge, dass es hier zu vermehrten Konflikten zwischen den religiösen Gruppen kommt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2013)