Gesamtschule: Lehrer für Volksentscheid

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Die Lehrervertreter fordern eine Volksbefragung. Einer raschen Einigung beim neuen Lehrerdienstrecht erteilen sie eine Abfuhr. Die Regierung scheint beim Thema Gesamtschule zu keiner Lösung zu kommen.

Wien. Der Vorstoß des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl (SPÖ), das Volk über die Einführung der Gesamtschule abstimmen zu lassen, ist wieder auf dem Tisch. Das Überraschende dabei: Diesmal kommt die Forderung von der Gegenseite – von der schwarzen Lehrergewerkschaft. „Ich glaube, dass sich dieses Thema sehr gut eignet, um einen Volksentscheid herbeizuführen“, sagt Jürgen Rainer, Vorsitzender der Lehrergewerkschaft an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) im Gespräch mit der „Presse“.

Die Gewerkschaft dürfte sich von einer Volksbefragung Rückenwind erwarten. Wie bei der Wehrpflicht scheint die Regierung auch bei der Gesamtschule, einem Prestigeprojekt der unter Lehrern nicht eben beliebten Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), selbst zu keiner Lösung zu kommen. Die ÖVP ist strikt dagegen.

Dass sich Rainer von einer Befragung eine klare Absage an die Gesamtschule erwartet, will er jedoch nicht bestätigen. Im Gegenteil: „Ich denke hier nicht in einer parteipolitischen Kategorie.“ Vielmehr wünsche er sich eine Debatte über Vor- und Nachteile einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen – und keine ideologische Diskussion.

Wie Rainer selbst bei einer derartigen Befragung abstimmen würde, will er nicht preisgeben. Allein: „Ich weiß, dass in unserem Lehrkörper der Wunsch nach einer gemeinsamen Schule weit verbreitet ist.“ Dass sich die BMHS-Lehrer für eine gemeinsame Schule aussprechen, ist dabei nicht uneigennützig: Auf die Art und Weise könnten viele Schüler, die bereits mit zehn Jahren den Weg ins Gymnasium einschlagen und damit den berufsbildenden Schulen großteils verloren gehen, gewonnen werden. Das gibt Rainer auch offen zu.

Keine Entscheidung vor der Wahl?

Einen schärferen Ton schlägt die Gewerkschaft auch bei den Verhandlungen zum neuen Dienst- und Besoldungsrecht an. Nachdem die Gespräche seit Jahren schleppend vorangehen, stellt Rainer die Notwendigkeit eines neuen Dienstrechts nun grundsätzlich infrage: „Ich bin mit dem jetzigen Dienstrecht zufrieden.“ Es brauche nur ein neues Gehaltsschema, das Dienstrecht solle aber nicht angetastet werden. Sprich: An der Anzahl der Unterrichtsstunden sowie an der Anwesenheit der Lehrer in der Schule dürfe sich auch künftig nichts ändern.

Der Lehrergewerkschafter, der sonst nur selten durch direkte Attacken auf Schmied auffällt, legt sich aber nicht nur deshalb quer. Auch den Plan, dass alle Lehrer von der Volksschule bis zur AHS einem gemeinsamen Dienstrecht unterliegen sollen, hält Rainer für wenig sinnvoll. „Das wäre so, als würde ich bei fünf verschiedenen Ballsportarten versuchen mit einer einzigen Spielregel auszukommen.“

Mit seiner Kritik macht Rainer diesmal auch vor Schmied nicht halt. Der Vorwurf an sie: Mit der Schaffung des einheitlichen Dienstrechts versuche diese, „die Gesamtschule durch die Hintertüre einzuführen“. Sind alle Lehrer einmal dienstrechtlich gleichgestellt, wäre der Weg für die gemeinsame Schule frei, sagt Rainer. Im Ministerium war für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen niemand erreichbar.

Dass das Dienstrecht – wie von Schmied gewünscht – noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird, erscheint angesichts all dessen unwahrscheinlich. „Es wäre keine Schande, wenn die Verhandlungen in nächster Zeit aufgrund der anstehenden Wahlen zurückgenommen werden“, sagt Rainer. Und mehr noch: „Aus unserer Sicht gibt es gar keinen Zeitdruck.“

Forum Bildung, Seite 22

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schule

Lehrerdienstrecht: Seit zwölf Jahren in der Warteschleife

Die größten Streitpunkte sind seit jeher Gehälter und Arbeitszeit. Derzeit liegt ein Papier der Regierung vor, das von der Gewerkschaft heftig kritisiert wird. Die Chronologie eines Scheiterns.
Gewerkschafter will Befragung ueber
Schule

Gesamtschule: "Hätte gerne eine öffentliche Diskussion"

In den berufsbildenden Schulen seien viele Lehrer für die Gesamtschule, sagt Lehrervertreter Jürgen Rainer. Ein neues Dienstrecht hält er nicht unbedingt für nötig. Ein neues Besoldungsschema aber sehr wohl.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.