Der Pate der modernen Selbermacher

Dale Dougherty, Gründungsvater des Maker Movments, zu Besuch im Wiener Happylab
Dale Dougherty, Gründungsvater des Maker Movments, zu Besuch im Wiener HappylabMirjam Reither
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Dale Dougherty gilt als „Godfather“ des Maker Movement. Über Neugier, Werkstätten im Krankenhaus – und warum KI der neue 3-D-Drucker ist.

Ein bisschen staunt er auch nach all den Jahren noch immer. „Wo kommen die Leute her?“, fragt sich Dale Dougherty dann. Was wollen sie? Warum sind sie hier?

Dabei wissen wohl nur wenige Menschen so gut wie er, was es ist, das Menschen zu Hunderten zur Maker Faire bringt – hat Dougherty die Messe für Selbermacher doch selbst gegründet. Als Herausgeber des „Make“-Magazins gilt der Kalifornier als „Godfather“ des Maker Movement, als Impulsgeber einer ganzen Bewegung.

Auch in Wien gibt es eine Maker Faire, am Sonntag hat Dougherty sie zum ersten Mal besucht. Zwei Tage später steht er im Happylab, Wiens größtem Maker Space im Stuwerviertel, und zeigt sich durchaus angetan vom Gesehenen: Von der Wurstschneidemaschine mit dem Namen Marie Antoinette („Ich mag den schwarzen Humor“). Von einer Frau, die aus Kartoffelstärke Bioplastik herstellt. Oder von jenem älteren Herrn, mit dessen Maschine man altes Plastik in neue Formen gießen kann. „Zwei unterschiedliche Zugänge, wie man mit dem Thema Plastik umgehen kann.“

Internetpionier mit Kochrezepten

Er selbst, sagt Dougherty, sei übrigens keineswegs immer schon das gewesen, was er heute als Maker bezeichnet. „Ich hatte zwar das Mindset, aber nicht die Fähigkeiten.“ Dafür ist der unscheinbare 68-Jährige eine lebende Internetlegende. „Ich war immer von technisch interessierten Leuten umgeben, und was ich immer schon konnte, war, das, was sie machen, an andere zu kommunizieren“, so der Englisch-Absolvent. Als Kollege von Webvordenker Tim O‘Reilly in dessen Computerbuchverlag erfand er 1992 mit dem Global Network Navigator die erste kommerzielle Webpublikation, auch die erste mit anklickbarer Werbung. „Eigentlich ohne wirtschaftliches Interesse“, sagt er. „Ich fand es einfach toll, dass Menschen von überall Zugang hätten.“

2005 gründete Dougherty das „Make“-Magazin, „damit Menschen von anderen lernen konnten“. Am besten, sagt er, ließe sich die Sache mit Kochmagazinen vergleichen. „Die sind ja nicht nur zum Anschauen da. Da drin stehen Rezepte, wie man etwas macht. Ein Maker ist für mich jemand, der nicht nur eine Idee hat, sondern auch die Fähigkeit, sie Realität werden zu lassen. Das ist etwas, was man lernen kann.“ Zumal heute günstige Technologien vieles erleichtern. „Vor 50 Jahren brauchte man für vieles ein Designstudio, das ein Modell entworfen hat, das dann irgendwo produziert wurde.“ Wenn man sich heute in einem Maker Space ein Ersatzteil für ein kaputtes Gerät ausdrucken könne, statt ein neues zu kaufen, dann habe das aber nicht nur rein ökologische Vorteile. „Da geht es um Kreativität und die Neugier, Technik für sich zu nutzen.“ Oder, um beim Essen zu bleiben: „Wir können auch Fast Food und Fertiggerichte kaufen. Und trotzdem kochen wir gern. Es ist etwas, was Spaß macht und worauf man stolz sein kann.“

Auch im Happylab gibt es neuerdings eine Maschine, die geschreddertes Plastik in neue Formen gießen kann
Auch im Happylab gibt es neuerdings eine Maschine, die geschreddertes Plastik in neue Formen gießen kannTeresa Schaur-Wünsch

In diesem Sinn versteht er die Maker-Szene als fröhliche Amateur-Zwischenwelt zwischen Handwerk auf der einen und Wissenschaft und Technik auf der anderen Seite. Was dabei vermittelt werden soll: „Man muss kein Experte sein, um etwas zu versuchen.“ Tatsächlich sei die Bereitschaft zum Wagnis, Neues einfach auszuprobieren, eine wichtige Fähigkeit für sich. Hier und da entstehe in einem Maker Space ein neues Produkt oder der Grundstein einer Karriere; in erster Linie gehe es aber um Begeisterung. „Und wenn man dann der ist, der sich mit 3-D-Druckern auskennt, wenn man im Büro etwas braucht – großartig.“

Apropos Arbeitsplatz: Auch dort sieht Dougherty Potenzial. So hat etwa eine Krankenschwester in einer Klinik in Iowa einen Maker Space für das Krankenpflegepersonal eingerichtet, um schnelle Lösungen für den eigenen Alltag umzusetzen. Die jüngste Ausgabe des „Make“-Magazins wiederum berichtet, wie Maker in der Ukraine im Kriegsalltag helfen.. Sie bauen Öfen und Lastenräder, Lampen für Tierkliniken, Ersatzteile für Autos, organisieren Kurse für Vertriebene, ein ganzer Kleinlaster wurde mit Werkzeug für den mobilen Einsatz ausgestattet.

Wichtiger Teil der Erfolgsgeschichte der Bewegung ist jedenfalls der 3-D-Druck. Und was könnte der „neue 3-D-Drucker“ der Szene sein? Künstliche Intelligenz, glaubt Dougherty. „Bei den 3-D-Druckern hat es Software leichter gemacht, aus Hardware etwas zu bauen.“ In Zukunft könnte KI die nötige Software für Projekte schreiben oder helfen, Dinge zu visualisieren. Oder aber auch beim Lernen helfen. „Wie ein persönlicher Trainer: ,Hallo KI, sag mir, wie Weben geht.‘“ Gleichzeitig orte er „eine Art Imperativ in der Wirtschaft, mit KI Stellen zu ersetzen. Da gibt es keine einfachen Antworten. Da müssen wir wohl mit zwei Seiten der Medaille leben, ähnlich wie bei der Nuklearenergie. Da müssen wir Menschen die Balance hinkriegen.“

Was ihm sonst noch wichtig ist? Das Happylab, das auch die Wiener Maker Faire organisiert, vor den Vorhang zu holen, sagt Dougehrty. Mit seinen 1600 Mitgliedern sei es einer der größten Maker Spaces, die er kenne. „Dieser Ort ist wirklich besonders. Wien kann wirklich froh sein, ihn zu haben. Es ist schwer, etwas über so lange Zeit hinweg am Laufen zu halten. Die Leute hier haben wirklich eine Vision von dem, was sie für die Gesellschaft beitragen können. Alle sind willkommen, es gibt Workshops für Frauen oder Kinder. Ich hoffe, dass es für sie auch von institutioneller Seite Unterstützung gibt.“

Auf einen Blick

Dale Dougherty ist Mitbegründer von O‘Reilly Media und Erfinder des ersten Webportals Global Network Navigator. 2005 gründete er das „Make“-Magazin, 2006 die Messe Maker Faire. Bis zur Pandemie gab es weltweit 200 Maker Faires, heuer sind es immerhin schon wieder 100, die unter einer Lizenz von lokalen Organisationen auf die Beine gestellt werden. Nach finanziellen Schwierigkeiten 2019 ist auch das Magazin wieder auf Schiene. In Deutschland gibt es einen Ableger, den Heise publiziert.

Die Maker Community online: make.co

Wiens größer Maker Space, der auch die Maker Faire organisiert: www.happylab.at

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