Portrait: Das Adlerauge eines Laufwunders

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Biathlet Martin Fourcade, 24, lässt die Konkurrenz am Schießstand wie auf der Loipe gleichermaßen verzweifeln. Bei der WM will er drei Titel verteidigen.

Nove mesto/Wien. Martin Fourcade hat dieses gewisse Talent. Er versteht es, sich auf den Punkt genau auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dann blendet er alles rund um sich aus, sieht nur noch die Loipe, den Schießstand und fünf Zielscheiben vor sich. „Martin denkt frühestens fünf Minuten vor dem Wettkampf an Biathlon, davor nicht“, sagt Stephane Bouthiaux. Ein kurzes Schmunzeln kann sich der Trainer dabei nicht verkneifen.

Seit eineinhalb Jahren bestimmt Fourcade, der amtierende Gesamtweltcupsieger, die Geschehnisse im Biathlon. Der Franzose aus Céret vereint Kraft mit Eleganz, Verbissenheit mit Coolness. Mit dem Kleinkalibergewehr in Händen zählte Fourcade Zeit seines Weltcup-Debüts vor fünf Jahren zu den Besten. 84Prozent Trefferquote weist die Statistik aus. Oftmals unschlagbar macht den schlaksigen Franzosen aber erst die Kombination aus Schießen und Langlauf. Die verzweifelten Blicke der laufstarken Konkurrenz aus Norwegen und Russland häufen sich, Fourcade zaubert oft Laufbestzeiten in den Schnee.

Martin, 24, hat vieles seinem Bruder Simon, 28, zu verdanken. Er war es, der ihm als Jugendlicher den Weg vorzeichnete und ihn erst zum Biathlon brachte.

Lange Zeit hatte, wie es nun einmal üblich ist, der kleine zum großen Bruder aufgeschaut. Bei den Olympischen Spielen in Vancouver 2010 aber änderte sich die Sichtweise erstmals.

Der Neid des großen Bruders

Während Martin bei der Siegerehrung über Massenstartsilber strahlte, liefen seinem Bruder Tränen der Enttäuschung über das Gesicht. „Dieser Moment“, sagt Martin, „hat unsere Beziehung geändert.“ Meinungsverschiedenheiten häuften sich, Eifersucht und Neid nahmen überhand. „Er war plötzlich besser als ich. Damit hatte ich anfangs schwer zu kämpfen“, erinnert sich Simon: „Es hat einige Zeit gebraucht, bis ich das akzeptiert habe.“ Mittlerweile wissen beide die Situation richtig einzuschätzen, sehen sich primär als Brüder, jedoch immer auch als Konkurrenten. Martin: „Ich liebe Simon, aber ich würde ihm deswegen keinen Sieg schenken.“ Martin und Simon sind wie schwarz und weiß, sie unterscheiden sich grundlegend voneinander. Martin ist längst nicht so verbissen, ist immer für einen Spaß zu haben. Auf die Frage, ob er auf die Unterstützung eines Mentaltrainers zurückgreifen würde, antwortete er gewohnt lässig: „Meine Freundin ist mein einziger Psychologe.“

Schlechte Ergebnisse belasten seine Gemütslage nicht. „Biathlon“, sagt er, „ist nicht alles auf der Welt.“ Er liebt es, sich die Zeit mit Klettern, Surfen oder Radfahren zu vertreiben. Zwischendurch jettet er zu einem Konzert der Red Hot Chili Peppers nach Paris oder drückt Usain Bolt bei den Olympischen Spielen in London die Daumen. „Ich brauche diese Balance für meinen Kopf.“

WM-Fehlstart mit Silber

Bei der WM in Nove Mesto steht Fourcade wie kein anderer Athlet unter Druck. In Sprint (heute, 13Uhr, ORFeins), Verfolgung und Massenstart ist er der Titelverteidiger. Nach dem Auftakt in der Mixed-Staffel ist der Druck zumindest nicht weniger geworden. Im Duell um Gold musste sich Fourcade seinem Dauerrivalen Emil Hegle Svendsen geschlagen geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2013)

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