Mentale Gesundheit

19 Millionen Euro für angeschlagene Kinderpsyche

22 Prozent der zehn- bis 17-jährigen Mädchen und zehn Prozent der Burschen in Österreich litten im vergangenen Jahr an Depressionen oder depressiven Verstimmungen.
22 Prozent der zehn- bis 17-jährigen Mädchen und zehn Prozent der Burschen in Österreich litten im vergangenen Jahr an Depressionen oder depressiven Verstimmungen. IMAGO/Thomas Eisenhuth
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Ein Vorzeigeprojekt wird verlängert und soll 10.000 kostenlose Behandlungsplätze für Kinder und Jugendliche sicherstellen.

Wien. Spätestens seit der Pandemie ist es ein Dauerthema: Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat in den vergangenen Jahren gelitten, das haben Studien wiederholt belegt.

So litten 22 Prozent der zehn- bis 17-jährigen Mädchen und zehn Prozent der Burschen in Österreich laut der europaweiten HBSC-Studie im vergangenen Jahr an depressiven Verstimmungen oder Depression. 29 Prozent der Mädchen und 17 Prozent der Burschen machen sich häufig Sorgen um ihre Zukunft, 29 bzw. neun Prozent haben häufig Angst, fand die im März veröffentlichte und im Vier-Jahres-Rhythmus durchgeführte Studie heraus.

Doch zur Coronakrise sind längst andere Themen dazugekommen, die an der Jugend nicht spurlos vorübergehen und deren Verletzlichkeit und Unsicherheit verstärken: Teuerung, Klimakrise, Ukraine-Krieg – „mittlerweile müssen wir von einer ,Permakrise‘ sprechen“, sagte Beate Wimmer-Puchinger, Präsidentin des Berufsverbands Österreichischer Psychologinnen (BÖP). Doch es gibt auch eine gute Nachricht – zumindest den österreichischen Berufsverbänden der Psychologen (BÖP) und Psychotherapeutinnen (ÖKVP) zufolge: Denn das Projekt „Gesund aus der Krise“ der Verbände wird verlängert und bekommt vom Gesundheitsministerium nach 12,2 Millionen Euro im ersten Jahr weitere 19 Millionen Euro zugesprochen. Somit können zu den bisherigen 8000 Behandlungsplätzen weitere 10.000 Betreuungsplätze für Kinder und Jugendliche zur Verfügung gestellt werden, hieß es bei einer Pressekonferenz am Montag gemeinsam mit Gesundheitsminister Johannes Rauch.

Dieser lobte das seit April 2022 laufende Angebot als „Vorzeigeprojekt“, das möglichst rasch, möglichst niederschwellig und vor allem kostenlos psychologische oder psychotherapeutische Behandlung vermittle. Dafür wurde eine österreichweite Anlaufstelle geschaffen, die Klienten an einen Pool von 875 von Gesundheits- oder Klinischen Psychologen und Psychotherapeutinnen weiterleitet. Der Fachkräftepool soll künftig auf 1500 Behandler aufgestockt werden, die in 17 Sprachen behandeln können.

Je nach Bedarf werden die Kinder an die Fachexperten in ihrer Umgebung vermittelt, höchstens 20 Kilometer vom Wohnort entfernt. Die durchschnittliche Wartezeit für einen ersten Behandlungstermin betrage 11 Tage, schilderte Wimmer-Puchinger, die das Projekt leitet. Eine Zeitspanne, von der man im gesundheitlichen Regelbetrieb derzeit weit entfernt ist.

Denn dieser sei aktuell „überfordert“ und könne derzeit „keine ausreichende Versorgung von Kindern und Jugendlichen“ sicherstellen, sagte ÖKVP-Präsidentin Barbara Haid. Bürokratische Hürden und der „Fleckerlteppich“ des österreichischen Gesundheitswesens würden eine rasche Hilfe aber für viele unmöglich machen. „Dabei zählt bei einer psychischen Erkrankung jeder Tag.“

Psychotherapie per E-Card

Minister Rauch widersprach der eingebrachten Kritik nicht: „Es muss gelingen, dass auch der Regelbetrieb und die Versorgung im niedergelassenen Bereich funktionieren.“ Bis man bei psychischen Behandlungen so weit sei – „es muss möglich sein, diese mit der E-Card bezahlen zu können, und nicht mit der Kreditkarte“ –, könnten aber Projekte wie „Gesund aus der Krise“ Abhilfe schaffen. Die zusätzlichen Millionen für psychisch belastete und erkrankte Kinder seien „vergleichsweise ein kleiner Betrag, wenn man weiß, was die Nichtbehandlung auf Dauer kostet“. Er wolle außerdem verstärkt am öffentlichen Bild arbeiten, damit es „keine Schande mehr ist, über die eigene psychische Erkankung zu sprechen“. Wie genau, ließ der Minister allerdings offen.

Das Angebot von „Gesund aus der Krise“ richtet sich an Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 21 Jahren, eine Altersuntergrenze gibt es nicht. 45 Prozent der 13.000 behandelten oder weitervermittelten Kinder und Jugendlichen waren zwischen 16 und 21 Jahre alt, ein Drittel zwischen zehn und 15 Jahren. Sowohl Eltern, Schulen, Sozialarbeiter, Ärzte als auch die Kinder selbst können sich bei dem Projekt melden (unter www.gesundausderkrise.at oder 0800 800 122) und über eine geeignete Behandlung beraten lassen.

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