Interview

Signa-Chef nimmt erstmals Stellung zur Kika/Leiner-Pleite

„Wir stehen für alle Fragen des Sonderverwalters zur Verfügung“, sagt der Signa-Holding-Chef Christoph Stadlhuber. Neben dem Insolvenzverwalter prüft nun auch der renommierte Experte, Stephan Riel, die Geschäftsjahre unter der Signa.

Foto: Clemens Fabry
„Wir stehen für alle Fragen des Sonderverwalters zur Verfügung“, sagt der Signa-Holding-Chef Christoph Stadlhuber. Neben dem Insolvenzverwalter prüft nun auch der renommierte Experte, Stephan Riel, die Geschäftsjahre unter der Signa. Foto: Clemens FabryClemens Fabry
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Die Kika/Leiner-Insolvenz nach dem Verkauf durch Signa wirft Fragen auf. Nun reagiert Signa-Vorstand Christoph Stadlhuber auf die im Raum stehenden Vorwürfe. Er bestreitet Insolvenzverschleppung und zu teure Mieten. Verkauft René Benko noch mehr Immobilien?

Die Presse: Kurz nach dem Verkauf sagten Sie Folgendes: „Aus Signa-Gruppen-Sicht war die Übernahme von Kika/Leiner trotz schwierigen Marktumfeldes ein sehr gutes Investment.“ Würden Sie diese Aussage nochmals tätigen angesichts von 1900 Beschäftigten bei Kika/Leiner, die ihren Job verlieren werden?

Christoph Stadlhuber: Dazu muss man sagen, wir waren bei Kika/Leiner auf einem Weg der Strukturierung und Sanierung. Wir haben das Unternehmen 2018 übernommen, mit einem negativen Ebitda von 70 Millionen Euro und waren Ende 2021 bei einem Minus von 3,9 Millionen Euro. Und das unter diesem schwierigen Marktumfeld von Covid, Krieg, Energiepreisen und der Lieferkettenproblematik, das ist schon ein großer Erfolg, den man dem Management zuschreiben muss und vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Einleitung eines Sanierungsverfahrens ist eine Entscheidung des neuen Eigentümers. Hätte ich gewusst, dass das Sanierungskonzept des neuen Eigentümers so weitgehend ist und den Verlust vieler Arbeitsplätze bedeutet, hätte ich diese Aussage natürlich so nicht gemacht.

Sowohl Kika als auch Leiner waren seit der Signa-Übernahme im Jahr 2018 defizitär. Wie viel hat Signa zugeschossen, um das Möbelgeschäft nicht zahlungsunfähig werden zu lassen?

Seit der Übernahme bis zum Verkauf haben wir Zuschüsse in der Höhe von rund 140 Millionen Euro geleistet.

Aus welchen Mitteln?

Die Mittel kamen einerseits aus Zuschüssen vonseiten des Gesellschafters und anderseits aus Zuschüssen von der Vermieterseite. 

Der Kika/Leiner-Chef Reinhold Gütebier, sagte erst im November 2022, dass alle Einrichtungshäuser erhalten bleiben. Der von ihnen eingesetzte Geschäftsführer glaubte also an das Unternehmen. Ist Signa auf halber Strecke der finanzielle Atem ausgegangen?

Nicht nur er glaubte an das Unternehmen, wir insgesamt haben daran geglaubt. Wir waren auf einem soliden Restrukturierungs- und Sanierungskurs. Wir haben von Anfang an immer versucht so wenig wie möglich Filialschließungen umsetzen zu müssen. Wir haben mit dem Verkauf sechs Filialen geschlossen, zwei davon waren schon zwei von früheren Eigentümer Steinhoff in der Vorbereitung. Vier haben wir dann geschlossen. Im Wesentlichen waren es Doppelstandorte, wo es einen Kika und einen Leiner gab. Da haben wir uns jeweils für einen der beiden entschieden. In das bleibende Haus wurde investiert, damit man die Umsätze dann nicht an Mitbewerber verliert, sondern in der Gruppe halten kann. In Summe ist es bei den sechs Standortschließungen geblieben. Jede Standortschließung, die man macht, verringert den Gesamtumsatz der Gruppe und erhöht den Druck auf die Overhead-Kosten im Headquarter aller anderen Filialen. Daher sind Filialschließungen keine einfache Entscheidung. Anderseits haben wir es geschafft, das Geschäft einiger Filialen wieder ins Positive drehen. Als wir 2018 Kika/Leiner übernommen haben, stand die Filiale in Krems auf der Schließungsliste. Wir haben diese nicht geschlossen, weil wir Rahmenbedingungen gesehen haben, um das zu schaffen. Und mit Blick auf die Schließungsliste des jetzigen Eigentümers, dann ist selbst jetzt Krems nicht auf dieser zu finden. Es gibt natürlich Lagen, in denen es nicht funktioniert. Da muss man schließen. Was Gütebier im Herbst gesagt hat, stimmt. Wir haben aber sehr wohl immer wieder diskutiert, ob es Filialen gibt, die man auch schließen kann bzw. muss. Wir haben dabei von einer Handvoll gesprochen – nicht mehr – und schon gar nicht in den Dimensionen, die gleich nach der Übernahme angekündigt wurden. Das letzte Jahr war von der Umsatzentwicklung durchaus auf Plan. Zu Umsatzeinbrüchen kam es erst im heurigen Jahr. Diese sind schwer erklärbar. Im Möbelhandel sind die ersten Monate des Jahres ein wichtiger Zeitraum, wenn die Gutscheine eingelöst werden. Es ist nicht so sehr das Weihnachtsgeschäft wie im Handel per se, sondern die Phase danach, wenn die Gutscheine eingelöst werden. Die Umsätze sind wirklich eingebrochen.

War das der Grund für den Verkauf?

Die Grundüberlegung für den Verkauf war strategischer Natur. Wir wollten uns aus dem österreichischen Möbelhandel zurückziehen.

Wer ist auf wen zugegangen?

Es waren verschiedene Interessenten im Rennen, und übrig geblieben sind Supernova für die Immobilien und eine Gesellschaft von Hermann Wieser für den Handel.

War XXXLutz interessiert?

Über die Interessenten können wir nichts sagen.  

Ist es eine grundsätzliche Entscheidung, sich vom Handel zurückzuziehen und sich nur mehr auf das Immobiliengeschäft zu konzentrieren?

Nein. Das hat damit nichts zu tun. Unsere Handelssparte hat im Bereich Möbel ausschließlich Kika/Leiner in Österreich besessen. Das hat nichts mit Gesamtentscheidungen zu tun. 

Hatte die Signa schon vor dem Verkauf Geschäftsbeziehungen mit dem neuen Eigentümer, Hermann Wieser?

Mir ist keine bekannt.

Es war von monatelangen Gesprächen die Rede.

Die Bearbeitung und die Verhandlungen dauern natürlich eine gewisse Zeit. 

War die Zukunft des Unternehmens Teil der Diskussion?

Wir haben alle Zahlen und Informationen offengelegt. Die Planung des neuen Eigentümers liegt in dessen Sphäre.

Sein Weiterführungskonzept sah Filialschließungen vor.

Bitte um Verständnis, aber die Verhandlungen wurden vertraulich geführt. Das kann nur der neue Eigentümer beantworten.

Warum kauft jemand für einen symbolischen Euro ein offensichtlich zahlungsunfähiges Unternehmen, das er eine Woche nach Übernahme in die Insolvenz schickt und auch noch einen hohen zweistelligen Millionenbetrag zur Absicherung sämtlicher Gutscheine obendrauf bezahlt?

Wir haben 2018 das Handelsgeschäft für einen symbolischen Betrag übernommen und das mit einem negativen Ebitda in Höhe von 70 Millionen Euro. Wir hatten das durchgerechnet und hatten ein Sanierungskonzept. Aber damals wusste noch keiner von Corona, Lieferkettenproblemen etc. Das sind Rahmenbedingungen, die man in der Wirtschaft akzeptieren muss. Warum das Herr Wieser gemacht hat, müssen Sie ihn fragen. Aber es ist keine außergewöhnliche Situation, dass man ein operatives Geschäft, das im Minus ist um symbolische Beträge übernimmt. 

Im Gegensatz zu Herr Wieser hat die Signa noch die Immobilien bekommen. Und die sind ja ein gutes Geschäft gewesen.

Die Bereiche Immobilien und Handel waren schon zu Zeiten von Steinhoff getrennt. 

Wie viel haben Sie mit dem Verkauf der Immobilien eingenommen?

Das geben wir nicht bekannt. 

Wurde mit dem Geld aus den Immobilienverkäufen ein Bankkredit getilgt?

Ja.

»Signa hat seit 2018 keine Mieten erhöht.«

Christoph Stadlhuber

Vertrauter von René Benko

Wie hoch war die Miete für das Möbelhaus?

Die durchschnittliche Quadratmetermiete je Monat lag bei knapp über drei Euro. Sie war damit auch viel niedriger als zu Zeiten von Steinhoff. Signa hat seit 2018 keine Mieten erhöht. Die Mieten waren nur indexiert.

Konnte sich Kika/Leiner die Miete leisten?

Im Möbelhandel sagt man, sechs bis acht Prozent vom Umsatz sind eine gut verträgliche Mietbelastung. Bei uns lag sie bei sieben Prozent. Es war eine Miete, die auch aus Sicht des operativen Geschäftes machbar war. Die Miete lag unter den Mieten, die im Möbelhandel marktüblich sind, nicht darüber, wie kolportiert wurde.

Kritiker sagen, Signa sei nur an den Kika/Leiner-Immobilien, aber nicht am Handelsgeschäft interessiert gewesen. Was entgegnen Sie?

Wir haben 140 Mio. Euro in das operative Handelsgeschäft investiert. Mit diesen Mitteln wurde in die Verbesserung des gesamten operativen Bereichs investiert, wie beispielsweise Warenwirtschaftssysteme, Onlinehandel, Regalsysteme, IT, Marketing etc. Ein Dutzend Standorte wurden saniert.

Stephan Riel, renommierter Sanierungsexperte, wurde als Sonderbeauftragter neben dem Sanierungsverwalter Volker Leitner beauftragt, die Geschäfte aus der Signa-Zeit zu prüfen. Was erwarten Sie davon?

In so großen Insolvenzverfahren ist es nicht ungewöhnlich, dass Sonderverwalter bestellt werden. Wir stehen für alle Fragen des Sonderverwalters zur Verfügung.

Signa wird alle Dokumente offenlegen?

Die wesentlichen Dokumente befinden sich alle bei Kika/Leiner. Wenn wir zusätzlich etwas beitragen können, werden wir das selbstverständlich tun.

»Die gesetzlichen Bestimmungen wurden immer eingehalten«

Christoph Stadlhuber

Boss der Signa Holding

Eine Insolvenzmeldung muss innerhalb von 60 Tagen geschehen. Kurz nach dem Kauf kam es dazu. Hätte nicht schon Signa eine Insolvenz melden müssen?

Nein. Die gesetzlichen Bestimmungen wurden immer eingehalten.

Die Insolvenzverwaltung prüft eine mögliche Insolvenzverschleppung sowie die Verwendung von Covid-19-Förderungen in der Höhe von 5,7 Millionen Euro. Experten sagen, es könnte sich um eine bewusste Insolvenzverschleppung gehandelt haben. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?

Das Management hat laufende Restrukturierungsschritte gesetzt. Wir haben erst heuer noch einmal Geld in das Unternehmen nachgeschossen. Allfällige Vorwürfe einer Insolvenzverschleppung sind unbegründet und treffen nicht zu.

Für hohe Steuerstundungen werden normalerweise Sicherheiten verlangt. Warum nicht bei Kika/Leiner?

Es gab keine Sonderregelung für Kika/Leiner. Es ist innerhalb der Regularien für Covid-Stundungen der Finanz abgelaufen.

Stellen Sie sich auf einen langen Rechtsstreit ein? Schließlich wollen die Gläubiger ihr Geld wiederhaben. Bei Signa als Verantwortliche wäre wahrscheinlich mehr zu holen.

Wir haben kein Interesse an Rechtsstreitigkeiten. Das Management hat zu jeder Zeit korrekt gehandelt. Wir gehen davon aus, dass die Vorwürfe im Rahmen der aktuellen Prüfungen rasch geklärt werden können. 

Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur, hat die rückwirkende Verschmelzung von Kika und Leiner als „auffällig“ bezeichnet und die Vermutung geäußert, diese könnte erfolgt sein, „damit ein Unternehmen noch eine Bilanz erstellen kann“. Rechnen Sie mit rückwirkenden Schadenersatzzahlungen?

Die Verschmelzung der beiden operativen GmbHs zu Kika/Leiner war ein Teil der Restrukturierungsmaßnahmen, mit hohem Einsparungspotenzial bei den Verwaltungskosten und Overhead-Kosten. Einen bilanziellen Hintergrund hatte das nicht. Wir sind davon überzeugt, dass viele unrichtige Sachverhaltsannahmen, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, im Rahmen der aktuellen Prüfung aufgeklärt werden können.

Zentralbetriebsrat Christian Fiala sagte, dass er wie die meisten Mitarbeiter von der Insolvenz aus den Medien erfahren habe. Für ihn gab es keinerlei Anzeichen. Die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten geweint. Hätte man die Kommunikation anders gestalten können?

Wir bedauern die Situation, in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt sind. Natürlich ist man im Nachhinein immer klüger. Im Zeitpunkt des Insolvenzantrages war Signa aber nicht mehr Gesellschafter. Und wir können dem neuen Management nicht vorschreiben, wie dieses kommuniziert. 

Die FPÖ fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Zu politischen Aussagen nehmen wir keine Stellung.

Warum verkauft Signa auf einmal so viel? 

Wir haben immer wieder Immobilien gekauft und auch verkauft. Das ist nicht außergewöhnlich. Außergewöhnlich ist ein Verkauf über den Gutachtenswerten. Und man sieht an den Verkäufen, dass der Immobilienmarkt in Österreich intakt ist und funktioniert.

Werden weitere Immobilien verkauft?

Wir haben heuer die Kärntner Straße verkauft als einziges Bestandsobjekt der Signa Prime. Entwicklungsprojekte der Signa Development werden laufend verkauft. Diese Aktiengesellschaft entwickelt Immobilien, um sie dann zu verkaufen. Wir haben gestern den geplanten „Donaumarina Tower“ an die UBM für 24,5 Millionen Euro inklusiver bestehender Grundstücksfinanzierung verkauft. Punktuell gab und gibt es immer Verkäufe – allein in den vergangenen fünf Jahren haben wir Objekte in der Höhe von rund fünf Milliarden Euro verkauft.

Zur Person


Christoph Stadlhuber steht in der ersten Vorstandsriege des Immobiliengruppe Signa und ist Geschäftsführer der Signa Holding. Der 55-Jährige ist gleichzeitig Mitglied des Aufsichtsrats der Signa-Immobilien-Sparten Prime Selection und Delevopment Selection. Er studierte an der Technischen Universität Wien Raumplanung und Raumordnung. Stadlhuber war Kabinettschef des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, Martin Bartenstein (ÖVP). Bevor er zur Signa ging, führte er von 2003 bis 2011 die Geschäfte der Bundesimmobiliengesellschaft.

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