Buch der Woche

Albrecht Dürer jagt einen Wal

Kopf eines Walrosses: Albrecht Dürer, Feder, braune Tusche und Aquarell, 1521.
Kopf eines Walrosses: Albrecht Dürer, Feder, braune Tusche und Aquarell, 1521.Austrian Archives/Brandstaetter Images/Picturedesk
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Walross, Hase und Rhinozeros aus seiner Feder sind weltberühmt. Einem Tier reiste Albrecht Dürer wie besessen hinterher: dem Wal. Ob er ihn fand? Philip Hoare bietet in seinem Buch „Albrecht Dürer und der Wal“ eine biografische Schnitzeljagd und spannende Kulturgeschichte. 

Zu Pfingsten 1520 verließ der 50-jährige Albrecht Dürer seine Heimatstadt Nürnberg, wo einmal mehr die Pest wütete. Schon 1505 hatte er sich des Schwarzen Todes wegen nach Venedig gerettet, es sollte ein für seine künstlerische Karriere Augen öffnender Aufenthalt werden. Auch dieses Mal reiste er ans Meer, tauschte aber die Himmelsrichtung: Es ging nach Norden. Offenbar floh Dürer nicht nur vor der Epidemie, sondern diese dritte große Reise seines Lebens diente auch dem Zweck, sich seiner Pfründe zu versichern. Denn 1519 war sein Mäzen verstorben: Kaiser Maximilian I. Von ihm hatte er ein fixes Salär erhalten, das dessen Thronfolger Karl V., den man im Oktober 1520 in Aachen zu krönen gedachte, bestätigen sollte. Während dieser sogenannten niederländischen Reise führte Dürer Tagebuch, dessen Original verschollen ist. Der Text blieb jedoch in zwei Abschriften erhalten. Für den britischen Autor Philip Hoare ist das Dokument sowohl unverzichtbare Quelle für den Band „Albrecht Dürer und der Wal“ als auch Ausgangspunkt für seine Nachforschungen rund um den berühmten Tausendsassa der Renaissancekunst.

Der 1958 in Southampton geborene Hoare enterte den deutschsprachigen Markt 2013 mit dem Buch „Leviathan oder Der Wal“, in dem er sich, wie der Untertitel verrät, auf die Suche nach dem mythischen Tier der Tiefe machte. Das preisgekrönte Werk war ein großer Wurf. Schon darin tauchte Dürer auf, denn kein anderer als Ismael, der Harpunisten-Held aus Herman Melvilles „Moby-Dick“, fühlt sich angesichts von kunstvoll mit Schnitzwerk versehenen Walzähnen an die Holzschnitte erinnert „jenes großen alten deutschen Wilden, Albert Dürer“. So verwundert es nicht, dass Hoare von seinen Funden in dessen Tagebuch aus dem Jahr 1520 begeistert ist. Denn in Antwerpen will Dürer die Knochen eines Riesen gesehen haben.

Ein Koloss wird an Land gespült

„Sein Bein oberhalb des Knies ist 1,70 Meter lang und maßlos schwer und sehr dick, ebenso seine Schulterblätter – ein einziges ist breiter als der Rücken eines starken Mannes – und seine anderen Gliedmaßen. Der Mann war 5,5 Meter groß, er hatte in Antwerpen geherrscht und wunderbare gewaltige Taten vollbracht, was ausführlicher über ihn beschrieben ist in einem alten Buch, das die Stadtherren in ihrem Besitz haben.“ Nicht mehr in deren Besitz aber waren die Hände des Kerls, die man angeblich ins Meer geworfen hatte – daher der Name Antwerpen: Ant = Hand, werpen = fortgeworfen. In Wahrheit, so klärt Hoare auf, beschrieb Dürer die Reste eines Grönlandwals.

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