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ESG: Green Deal bringt große Herausforderungen

Um die EU-Regularien zu erfüllen, müssen Unternehmen umfangreiche und nachvollziehbare Daten vorweisen können.
Um die EU-Regularien zu erfüllen, müssen Unternehmen umfangreiche und nachvollziehbare Daten vorweisen können.Getty Images
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Europa will klimaneutral werden. Die EU-Regularien zur Erreichung dieses Ziels bringen für die Unternehmen des Kontinents beträchtliche Aufwendungen. 

Der Green Deal der EU soll Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Um die Wirtschaft für diesen Plan zu gewinnen, will man in Brüssel einen großen Hebel nutzen: die Finanzen. Nachhaltig agierende Unternehmen sollen in Zukunft bei der Kreditvergabe und auf den Finanzmärkten besser bewertet werden und daraus Vorteile ziehen. Der Haken ist eine immer größer werdende Flut an Regularien, die Unternehmen beschäftigen werden – die geforderte Nachhaltigkeit muss schließlich mit vergleichbaren und überprüfbaren Daten belegt werden. Nicht mehr schöne Umweltberichte, sondern nüchterne Bilanzen sollen zeigen, wie ernst ein Unternehmen den Klimaschutz nimmt. CSR (Corporate Social Responsibility) werde zur rechtlich verbindlichen Corporate Accountability, wie es Maria Lein vom Brüsseler Büro der Industriellenvereinigung formuliert.

Unternehmen müssen sich mit einer Vielzahl an Begriffen wie ESG (Environmental, Social, Governance), CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), ESRS (European Sustainability Reporting Standards) oder CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) auseinandersetzen: „Die damit verbundenen Aufwendungen sind enorm, zumal neue Prozesse aufgesetzt, mehrere Fachabteilungen übergreifend in diese neuen Themen eingearbeitet und neue, effizientere Software-Lösungen gefunden werden müssen“, erzählt Marina Hornasek-Metzl, Senior Director Corporate ESG beim Elektronikkonzern AT&S. Das Unternehmen hat die von ihr geleitete Abteilung Corporate ESG mit zehn Mitarbeitern nicht zuletzt deshalb geschaffen, um den Anforderungen der EU-Regularien gerecht zu werden. „Wir haben hier die Expertise aus verschiedenen Bereichen wie Energie, Wasser, Abfall und Abfallvermeidung, Recycling, Gesundheit und Arbeitssicherheit, Produktsicherheit, Soziales, Geschäftsethik und Lieferkette sowie einem begleitenden ESG-Controlling vereint“, erläutert Hornasek-Metzl.

Zeitplan nicht zu halten

Es ist nicht nur eine komplexe Materie, der Zeitplan für die Umsetzung ist ebenfalls knapp. Bei den Verordnungen und Gesetzen kommt es immer wieder zu Verzögerungen. Aktueller Fall ist die erste Gruppe der ESRS, der Standards für die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie stellen eine wesentliche Grundlage für künftige Unternehmensbewertungen dar, und auf ihrer Basis sollten kapitalmarktorientierte Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeitern ab kommendem Jahr berichten.Eigentlich wollte man die Standards bereits Ende dieses Monats als Rechtsakt fixieren. Der Termin wird aber nicht zu halten sein. „Schon der ursprüngliche Zeitplan hättet den Unternehmen nur einen sehr begrenzten Zeitraum gegeben, um die neuen Berichtsstandards anzuwenden“, erläutert Lein. „Sollte sich auf EU-Ebene der Zeitplan für die Annahme der Standards weiter nach hinten verschieben, muss das unbedingt auch für die Berichtspflichten der Unternehmen gelten“, sagt die IV-Vertreterin.

Die Berichtspflicht betrifft Kapitalgesellschaften mit Sitz in der EU. Tatsächlich sollten sich aber nahezu alle Betriebe damit auseinandersetzen, rät Birgit Kraml, Partnerin bei Wolf Theiss: „Berichtspflichtige Unternehmen haben einschlägige Daten von Lieferanten einzuholen bzw. sich zumindest darum zu bemühen und in ihrem Nachhaltigkeitsbericht entsprechend zu berücksichtigen.“ Wollen entlang der Wertschöpfungskette tätige kleinere Unternehmen für Geschäftspartner attraktiv und somit konkurrenzfähig bleiben, sollten sie relevante Daten liefern können, rät Kraml. Und es gibt noch einen Grund, sich mit ESG und Co. möglichst bald auseinanderzusetzen: „Bei Kreditvergaben achten Banken bereits vermehrt auf die Einhaltung von konkreten Nachhaltigkeitskriterien.“ Nicht zuletzt weil auch KMU mit zumeist begrenzten Ressourcen betroffen sind, fordert die IV ein praktikableres Berichterstattungssystem: „Vor allem im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen sollten die Offenlegungsanforderungen unbedingt weiter vereinfacht werden“, meint Lein.

Kampf um globale Märkte

Jela Mohr, ESG Managerin von Wolf Theiss, sieht einen anderen Aspekt, der die Wettbewerbsfähigkeit Europas schwächen könnte: die Einhaltung der strikten Kriterien auch von Lieferanten außerhalb der EU. „Zieht sich die EU aus bestimmten Ländern zurück, etwa aus Angst sonst den Sorgfaltspflichten der Lieferketten nicht zu entsprechen, werden sich andere Länder wie China diese Märkte zu eigen machen“, warnt Mohr.

Eine noch offene Frage ist die Tiefe des Reporting, da dadurch auch dem Wettbewerb Einblick in Firmeninterna gewährt werden könnte: „Dass hier allen Teilnehmern der Wertschöpfungskette alle Daten zur Verfügung stehen, wird kaum realistisch sein“, sagt Hornasek-Metzl von AT&S. Eine Lösung wären ihrer Ansicht nach Blockchain-Techniken. So könnten alle Daten in ein System eingepflegt und die Sichtbarkeit eingeschränkt werden, sodass etwa nur ein Auditor Einblick nehmen kann.

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