Die Ich-Pleite

Misstrauensgrundsatz

Caroline Frank
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Seit der Erfindung des Smartphones schauen immer mehr Menschen nur mehr dann auf den Gehsteig oder Radweg, wenn sie gerade nichts Wichtiges mitzuteilen haben. Also eher selten.

Ich habe zwar nie einen Führerschein gemacht, aber vom Vertrauensgrundsatz habe ich schon einmal etwas gehört. Das war doch die Idee, dass man als Verkehrsteilnehmende den anderen Verkehrsteilnehmenden zutraut, dass sie auch schauen, ob ihnen etwas entgegenkommt. Ausgenommen waren Kinder, Betrunkene oder Personen mit eingeschränkter Wahrnehmung.

Ich glaube, das hatte eine Zeitlang ganz gut funktioniert. Weil die vertrauenswürdigen Personen in der Mehrheit waren. Seit der Erfindung des Smartphones ändert sich das allerdings langsam. Denn jetzt schauen immer mehr Menschen nur mehr dann auf den Gehsteig oder Radweg, wenn sie gerade nichts Wichtiges mitzuteilen haben. Also eher selten. Bald wird man den Führerscheinneulingen den Misstrauensgrundsatz beibringen müssen: „Wenn euch jemand auf dem Gehweg niederscootet“, wird man ihnen sagen, „weil er schnell noch seinen TikTok-Account scannen wollte, dann wäre das zwar klassisches Fremdverschulden, aber den Gips habt ihr dann am eigenen Arm. Und das wäre womöglich ein Social-Media-Totalausfall für Wochen.

Mein Rat: Nehmt lieber das Auto. Denn da gibt‘s saftige Strafen für Handy am Steuer.“ Bei der Prüfung zum Misstrauensgrundsatz würde die zu prüfende Person allerdings durchfallen, wenn sie nicht wüsste, dass es sich beim Dauersmartphonieren nicht um fahrlässige Gefährdung von Menschenleben handelt, sondern um eine Krankheit. Man nennt sie FoMO (Fear of Missing out). Also die Angst, etwas zu versäumen. Junge Menschen, sagt eine Studie von JWT Intelligence, seien generell stärker betroffen. Besonders junge Männer. Man sollte ihnen kostenlose Psychotherapie anbieten. Denn sonst wird womöglich auch noch die FoFoMOtiker-Krankheit um sich greifen.

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