Produktivität

Fehlende Arbeitskräfte, schlechte Bildung: Österreich verspielt sein Wachstum

Die Arbeitszeit pro Kopf ist in den vergangenen Jahren bereits zurückgegangen, mit negativen Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft. Von einer 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich hält Christoph Badelt, Vorsitzender des Produktivitätsrates, daher nichts.
Die Arbeitszeit pro Kopf ist in den vergangenen Jahren bereits zurückgegangen, mit negativen Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft. Von einer 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich hält Christoph Badelt, Vorsitzender des Produktivitätsrates, daher nichts.Georges Schneider
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Am Dienstag präsentierte der heimische Produktivitätsrat sein erstes Gutachten über die heimische Volkswirtschaft. Demnach stieg die Produktivität zuletzt kaum mehr aufgrund technischer Innovationen, sondern nur mehr wegen der wachsenden Zahl an - oft niedrig qualifizierten - Arbeitskräften. Das sei kein zukunftsweisendes Modell, weshalb der Rat ein „Pflichtenheft für die Regierung“ vorlegt.

Wien. Das durchschnittliche Wachstum geht zurück. Das ist die Kernaussage des ersten Berichts des im Vorjahr neu geschaffenen Produktivitätsrates, der am Montag präsentiert wurde. Und diese Aussage bezieht sich nicht auf die jüngste Zeit, die durch die Coronapandemie und den Energiepreisschock in Folge des Krieges in der Ukraine massiv beeinflusst wurde. Vielmehr hat das Gremium die Vorkrisenjahre 2015 bis 2019 mit der Periode zwischen 1996 und 2005 verglichen. Und dabei einige besorgniserregende Veränderungen bemerkt.

Konkret fiel den Ökonomen dabei auf, dass die Bedeutung von technischer Innovation und Effizienzsteigerungen zum heimischen Wachstum über die Zeit deutlich nachgelassen hat. Trug die Technologie in den Jahren bis 2005 noch 0,8 Prozentpunkte zum damaligen Durchschnittswachstum von 2,4 Prozent bei, waren es in der Zeit vor Ausbruch der Coronapandemie nur mehr 0,4 Prozentpunkte Beitrag zu einem Durchschnittswachstum von 1,9 Prozent. An Bedeutung deutlich zugelegt hat hingegen das Arbeitsvolumen - also das Angebot an Arbeitskräften. Dessen Wertschöpfungsbeitrag hat sich von 0,4 auf 0,8 Prozentpunkte verdoppelt. „Wir haben uns auf dem Bevölkerungswachstum ausgeruht, während die Bedeutung der technischen Innovation zurückgegangen ist“, fasst Christoph Badelt, der Vorsitzende des Produktivitätsrates, die Ergebnisse zusammen. „Das wird in Zukunft aber nicht mehr funktionieren.“

Ausbildung der Arbeitskräfte wurde schlechter

Denn einerseits sorge der demografische Wandel dafür, dass in Österreich die Arbeitskräfte immer rarer werden. Andererseits wird auch die Zuwanderung aus den osteuropäischen EU-Mitgliedsländern, die in den vergangenen zehn Jahren für einen konstanten Strom an neuen Arbeitskräften gesorgt hat, schwächer, weil beispielsweise in diesen Ländern der Wohlstand steigt und somit der Druck sinkt, aus wirtschaftlichen Gründen auszuwandern. Erschwerend ist für Österreich dabei, dass auch die Ausbildung der Arbeitskräfte und somit deren Wertschöpfungseffekt in den vergangenen Jahren abgenommen hat. Der Treiber der Produktivität sei somit rein die Quantität der Arbeitskräfte gewesen.

Aber nicht nur am Arbeitsmarkt gebe es ein Problem für die langfristige Produktivität in Österreich. Auch bei der Bereitstellung für Kapital für Unternehmen in der Wachstumsphase sowie der Forschungsförderung sehen die Ökonomen Verbesserungspotenzial. „Wir fördern jene zu stark, die ohnehin gut unterwegs sind und fördern jene Jungen zu wenig, die innovativer sein könnten“, so Badelt.

Gefahr für den langfristigen Wohlstand

Unter dem Strich bedeute dies jedoch eine Gefahr für den langfristigen Wohlstand der Bevölkerung. Denn: „Die Produktivität ist der wichtigste Treiber der Haushaltseinkommen. Diese sind in Österreich nach wie vor sehr hoch, stagnieren seit der Wirtschafts- und Finanzkrise jedoch“, sagt Andreas Reinstaller vom Produktivitätsrat. Unter Produktivität wird dabei das Verhältnis zwischen den eingesetzten Mitteln in einer Volkswirtschaft und dem damit erzielten Output bezeichnet.

Der Produktivitätsrat hat daher auch einen Maßnahmenkatalog mit 47 konkreten Vorschlägen erstellt. Es sei sozusagen „ein Pflichtenheft für die Regierung“, so Badelt. Manche der Vorschläge seien zwar schon seit langem bekannt, das ändere jedoch nichts an ihrer Notwendigkeit, so der ehemalige Wifo-Chef, der schon seit Jahren immer wieder Reformen einfordert. Zu den gewünschten Maßnahmen gehöre etwa eine Industriepolitik, in der die notwendige Koordinierung beim Umbau der Energie-Infrastruktur für energieintensive Betriebe bedacht wird. „Wir brauchen eine Energie-Leitungsstruktur, die auf die Bedürfnisse der Großunternehmen abgestimmt ist. Darum kümmert sich derzeit niemand.“

Auch die Erreichung der Klimaziele müsste durch die Umsetzung jener Gesetze, die derzeit in den verschiedensten Entwicklungsstufen festhängen, forciert werden. „Manche davon hängen nach wie vor in der Regierungs-Pipeline“, so Badelt. Andere würden von der SPÖ blockiert, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament derzeit verweigert. Für das Land in Summe ein Problem, weil die verschärften Emissionsvorgaben für Österreich dereinst sehr teuer werden, wenn sich die Wirtschaft nicht darauf einstellt.

Frühkindliche Betreuung erhöht Chancengleichheit

Und auch Maßnahmen zur sozialen Teilhabe hätten durchaus auch Auswirkung auf die langfristige Produktivität. Hierbei gehe es vor allem um das Bildungssystem, das vor allem von Menschen aus sozial schwachen Schichten und mit Migrationshintergrund oft nur mit mangelhaften Kenntnissen verlassen wird. „Wenn Pflichtschulabsolventen schlecht Deutsch und nicht Rechnen können, dann werden sie auch nie gute Facharbeiter werden“, so Badelt. Das sei dann sowohl ein Problem für die Wirtschaft als auch ein soziales Thema. Dies betreffe auch die Betreuung von Unter-Dreijährigen, die in Österreich noch schwach ausgeprägt ist. Hierbei gehe es nicht nur darum, den Eltern die Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen, sondern auch die Differenzen in der Entwicklung möglichst früh auszugleichen. „Das sorgt langfristig für eine höhere Erwerbsbeteiligung dieser Personen“, so Reinstaller.

Keine Freude hat man beim Produktivitätsrat übrigens mit den Überlegungen des neuen SPÖ-Chefs Andreas Babler, die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich auf 32 Stunden zu senken. „Wir haben jetzt bereits eine sinkende Arbeitszeit pro Kopf. Und die war für unsere wirtschaftliche Entwicklung nicht gut. Ich halte aber auch grundsätzlich nichts davon, Arbeitszeitmodelle durch den Gesetzgeber zu verordnen“, so Badelt. Diese sollten vielmehr auf Branchen oder Unternehmensebene verhandelt werden. 

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