Menschenrechte

„Grausame“ Zustände in Guantánamo

Das US-Gefangenenlager Guantánamo
Das US-Gefangenenlager GuantánamoDie Presse Digital
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„Unmenschlich und erniedrigend“: Eine UN-Sonderberichterstatterin äußert sich nach dem Besuch im US–Gefangenenlager entsetzt und fordert die Schließung. 30 Männer sind dort noch inhaftiert.

Männer in orangenen Overalls, die, in Ketten gefesselt, in Käfigen auf dem Boden kauern. Jahrelange Internierung ohne Aussicht auf ein reguläres Verfahren. Isolationshaft und Verhörmethoden wie das „Waterboarding“, die gegen alle menschenrechtlichen Standards verstoßen: Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 galt das Gefangenenlager auf dem US-Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba lange als Inbegriff für die Abgründe des „Kriegs gegen den Terror“, den die Vereinigten Staaten gegen radikale Islamisten führten. Bis es in Vergessenheit geriet. Nun aber, gut 21 Jahre nach der Errichtung des Lagers, wirft ein UN-Bericht neues Licht auf die dortigen Zustände.

„Grausam, unmenschlich und erniedrigend unter dem Völkerrecht“ sei die Behandlung der dort verbliebenen Insassen, konstatierte die UN-Sonderberichterstatterin Fionnuala Ní Aoláin in ihrem Bericht nach einem viertägigen Besuch auf dem Stützpunkt. Die irische Jus-Professorin war die erste UN-Ermittlerin in der Geschichte Guantánamos, der Zugang zum Lager gewährt worden war. „Ich habe gesehen, dass das Leid der Gefangenen nach zwei Jahrzehnten tief und anhaltend ist“, sagte sie bei der Vorstellung ihres Berichts in New York und forderte die Schließung der Haftanstalt. Gleichzeitig räumte sie ein, dass es „bedeutende Verbesserungen“ im Vergleich zu früheren Berichten über die Zustände gegeben habe und bedankte sich bei der Regierung von US-Präsident Joe Biden für uneingeschränkten Zugang.

Festgehalten ohne Prozess

30 Häftlinge befinden sich derzeit noch in dem Lager, in das die USA über die Jahre insgesamt etwa 780 Verdächtige aus rund 40 Ländern verfrachteten – darunter die mutmaßlichen Drahtzieher der 9/11-Anschläge. Etliche sind seitdem, meist nach Jahren der Haft, in ihre Heimatländer, zurückgeschickt worden. Doch viele der bis heute Verbliebenen sind bereits seit Anfang oder Mitte der 2000er Jahre eingesperrt. Zehn davon warten bis heute auf einen Prozess.

UN-Sonderberichterstatterin Aoláin kritisierte unter anderem eine unzureichende Gesundheitsversorgung, Isolationshaft und die Anwendung von Gewalt bei der Verlegung von Gefangenen aus den Zellen. Inhaftierte litten unter Dauerinvalidität, chronischen Schmerzen und post-traumatischen Belastungsstörungen. Ein Teil der Probleme sei auf die Programme zur Überstellung von Terrorverdächtigen und Folter zurückzuführen. Sie forderte ein Programm für Gefangene, die von den USA gefoltert worden seien. Besonders wies sie in dem 23-seitigen Bericht auf den Fall des aus dem Jemen stammenden Ali Hamza al-Bahlul hin, einem Ex-Gehilfen des getöteten Terrorchefs Osama bin Laden, der seine lebenslange Haftstrafe nahezu ohne Kontakt zu anderen Gefangenen verbringe.

Die US-Regierung reagierte auf den UN-Bericht mit einer einseitigen Erklärung, in der es hieß, dass Washington der Einschätzung Aoláins in zahlreichen Punkten widerspreche. Man werde die Empfehlungen des Reports aber gründlich prüfen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen. Zudem suche man nach geeigneten Orten, an die man verbliebene Insassen verlegen könne.

Kein Geld für die Aufnahme

US-Präsident Biden hatte zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen – wie schon sein Parteikollege und Vorgänger Barack Obama, unter dem er als Vize-Präsident fungierte. Dafür ist Biden aber auf die Zustimmung des Kongresses angewiesen. Und der hat im Verteidigungshaushalt festgelegt, dass die Regierung kein Geld für die Aufnahme von Inhaftierten aus Guantánamo oder für deren Überstellung in Länder wie den Jemen ausgeben darf. Das Weiße Haus ist also auf andere Länder angewiesen, die die ehemaligen Terrorverdächtigen aufnehmen.

Dabei könnten 16 der 30 verbliebenen Gefangenen sofort freigelassen werden, weil sie nach Ansicht der US-Regierung keine Gefahr für die nationale Sicherheit mehr darstellen. Einige warten schon seit Jahren auf ihre Überstellung. Bisher sind unter der Biden-Regierung zehn Guantánamo-Insassen verlegt worden.

Auf einen Blick

Das US-Gefangenenlager Guantánamo Bay wurde nach den Anschlägen des 11. September 2001 unter der Regierung von George W. Bush errichtet. Dort wurden über die Jahre rund 780 Terrorverdächtige aus 40 Ländern unbefristet und ohne Prozess festgehalten. Heute sind noch 30 Männer in dem Lager inhaftiert. Menschenrechtsorganisationen und UN-Experten fordern seit Jahren die Schließung.

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