Randerscheinung

„Tote Tierleiche essen“

Carolina Frank
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Richtig schwer fällt der Verzicht auf Fleisch nicht. Eher jener auf das Eis danach.

Mittagessen zu viert. Die Pfanne steht auf dem Tisch, der Älteste schaut ziemlich skeptisch durch den Glasdeckel: „Was ist denn da drinnen?“ „Huhn“, sage ich. „Wie? Huhn-Huhn? Kein Ersatz?“, fragt er. „Ja, Huhn, Hendl, Fleisch eben“, sage ich. Kurze Pause.

„Tote Tierleiche essen“, sagt er lachend und nimmt sich vorsichtiger als sonst auf den Teller. Fleisch, also Fleisch-Fleisch, gibt es bei uns nämlich so gut wie überhaupt nicht mehr, seit der Mittlere Vegetarier ist, also seit ungefähr sechs Jahren. Da er heute nicht da ist, habe ich dort, wo sonst nur Gemüse, Schwammerl und Tofu reinkommen, wieder einmal ein bisschen Hühnerfilet mitgeschnetzelt. Der Abwechslung halber. Der Jüngste mag nämlich Hendl und auch Burger. Aber zum Beispiel isst er keine Wurst und auch keine Würstel mehr. Was manchmal blöd ist, weil bei Einladungen, die für Kinder veranstaltet werden, Frankfurter immer noch eine zentrale Rolle spielen. Der nicht vegetarische Rest der Familie isst hie und da gern Fisch. Ich, wenn ich im Westen bin, zwei Mal im Jahr eine Leberkässemmel (das Rechtschreibprogramm ist offensichtlich auch Vege­tarier und schlägt mir stattdessen „Leberkarzinom“ vor). Hie und da habe ich noch Lust auf Schinken.

Was das Kochen angeht, funktionieren so gut wie alle klassischen Rezepte, die ich noch mit Fleisch zubereiten gelernt habe, inzwischen auch ohne sehr gut. Manche sind sogar deutlich besser. Nur Braten ohne Braten geht natürlich nicht. Als Kind wollte ich ohnehin nur die Beilage mit der Sauce. Nach dem Hinweis auf die tote Tierleiche hat jedenfalls keiner mehr so richtig Lust auf das, was da auf den Tisch gekommen ist. Zum Glück gibt es noch genug Reis und Salat. Vor allem aber Eis danach. Darauf zu verzichten wäre allerdings wirklich ein Problem. 

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("Die Presse Schaufenster" vom 30.06.23)

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