Amanshausers Album

Denkmäler schreiben die Geschichte mit

Jedes Denkmal offenbart einen Blick auf unsere Geschichte und schreibt sie mit. Ihr Abbau spiegelt den Ausdruck einer geänderten Sichtweise.
Jedes Denkmal offenbart einen Blick auf unsere Geschichte und schreibt sie mit. Ihr Abbau spiegelt den Ausdruck einer geänderten Sichtweise.The Peninsula
  • Drucken

Denkmäler, Teil 2: Statuen im öffentlichen Raum entlarven unseren Blick auf die Geschichte.

U nlängst debattierte ich die Seltenheit von Frauenfiguren im öffentlichen Raum. Später fiel mir die Venus von Willendorf ein und die vom Galgenberg, um die 30.000 Jahre alt, um die zehn Zentimeter groß. Populäre Frauen der jüngeren Altsteinzeit? Leider nein, sie besaßen keinen Denkmalcharakter und sind – in ihrer Gesichtslosigkeit, die von Willendorf hat dafür eine akzentuierte Vulva – keine Individuen. Die im Grunde eitle, irgendwie lächerliche menschliche Idee, historische Persönlichkeiten und ihre Leistungen mit Statuen oder Büsten zu ehren, breitete sich, nicht lang her, im 18. Jahrhundert aus. Skulpturen sollen bis in „die Ewigkeit“ an einen spezifischen Mann bzw. an seine Errungenschaften erinnern. Jedes Denkmal offenbart einen Blick auf unsere Geschichte und schreibt sie mit.

Niemand zwingt uns, Denkmäler aus „historischen“ Gründen in alle Ewigkeit mitzuschleppen. Ihr Abbau spiegelt den Ausdruck einer geänderten Sichtweise, im Idealfall einer aufgeklärteren. Die tritt etwa in der amerikanisch-britischen Debatte zutage, die kritisch nachfragt, ob man Sklavenhalter und Rassisten fortgesetzt ehren sollte. Abriss? Korrekturversuche behelfen sich oft mit symbolischen Interventionen (Lueger/Wien) oder Kontextualisierungen. Beharrende Stimmen möchten am „Kulturgut“ festhalten und suchen verzweifelt nach Argumenten („Leugnung der Geschichte!“), etwa um trotz ihres mörderischen Charakters die weiße Vorherrschaft symbolhaft zu stärken.

Doch nicht die Geschichte wird korrigiert, wenn Althelden ins Museum wandern. Unsere Kulturkämpfe verhandeln vielmehr Wertvorstellungen. Die können auch revisionistisch sein. So bricht etwa das zeitgenössische Ungarn in eine neue patriotische Ära auf. Lacy Kornitzer berichtet in „Über Destruktivität. Eine essayistische Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ungarns“ (Suhrkamp) über die Denkmalpolitik der Regierung Orbán. Er führt Chronik, wie konsequent Büsten liberaler Denker, Schriftsteller und Politiker in Budapester Parks durch solche von nationalistischen Figuren (oft mit eingepreistem Antisemitismus) ersetzt werden.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.