Buch der Woche

Ein Tier stirbt aus – wie komisch!

Ned Beauman, 1985 geboren, lebt in London.
Ned Beauman, 1985 geboren, lebt in London.Dylan Forsberg
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Extinktionszertifikate sollen die Artenvielfalt retten – und bringen einen Feinschmecker fast ins Gefängnis. Ned Beaumans „Der gemeine Lumpfisch“ ist ein köstliches, kluges Buch über die nahe, ferne Zukunft.

Es ist keine Welt für Feinschmecker. Die Mozzarella-Büffel geben nach Gewittern keine Milch mehr, leider donnert es dauernd. Vor der Küste Tasmaniens hat übersäuertes Meerwasser die Schalen der Austern zersetzt. Im Meer Südaustraliens verhungern die Blauflossen-Thunfische. Karotten, Kartoffeln, Äpfel, alles schmeckt gleich, und wenn man Gemüse essen will, das nach Gemüse schmeckt, muss man nach Oslo reisen, da gibt es ein fancy Restaurant, das Tomaten, Kichererbsen oder Kohl „ganz wie damals“ serviert. Das kostet. Und weil es so viel kostet, hat der passionierte Foodie Halyard kein Geld, als sich ihm die Gelegenheit bietet, auf dem Finanzmarkt ein Vermögen zu machen: Er hat nämlich erfahren, dass in Kürze der Preis für Extinktionszertifikate ins Bodenlose fallen wird – und will darauf wetten.

So funktioniert nämlich der Artenschutz in der nahen, fernen Zukunft, die der Brite Ned Beauman uns mit viel Liebe zum Detail, zur Komik und zur Drastik schildert: Wenn zum Beispiel eine Firma auf dem Meeresboden ausgerechnet dort Manganknollen abbauen will, wo der vom Aussterben bedrohte Lumpfisch seine letzte Rückzugsmöglichkeit gefunden hat, erwirbt sie ein Extinktionszertifikat. Das ist teurer, wenn es sich um ein intelligentes Lebewesen handelt, wofür in dem Fall überraschenderweise einiges spricht. Das ist deutlich billiger, wenn ein Gutachter den Fisch als unintelligent einstuft.

Abrechnung mit dem Kapitalismus

Und fast gar nichts mehr wird so ein Zertifikat wert sein, sollte sich die „Weltkommission zur Bekämpfung des Artensterbens“ der von der Industrie vorgeschlagenen Definition anschließen, wonach ein Lebewesen gar nicht wirklich ausgestorben ist, solange seine DNA in einer Datenbank gespeichert ist! Dieser für Umweltsünder lukrative Paradigmenwechsel steht kurz bevor, wie ein paar Leute im Feinschmecker-Restaurant in Oslo ausplaudern.

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