Wort der Woche

Klimafolgen von Wasserstoff

Die Klimafolgen von Wasserstoff sind je nach Herstellungsverfahren sehr unterschiedlich. Das heute gebräuchliche Farbschema zur Kennzeichnung ist nur wenig dienlich. 

Wasserstoff wird künftig als sauberer Energieträger und -speicher eine wichtigere Rolle spielen – insbesondere in Bereichen, die sich anders nur schwer dekarbonisieren lassen (etwa Luftfahrt, Schwertransporte oder manche Industriesparten). Es gibt viele Herstellungsverfahren, und um etwas Ordnung in diese Vielfalt zu bringen, hat sich in jüngster Zeit zur Bezeichnung ein Farbschema etabliert: „Grauer“ Wasserstoff wird aus Erdgas durch Dampfreformierung hergestellt; „brauner“ aus Kohle durch Gasifizierung, „türkisfarbener“ durch Erdgas-Pyrolyse, „blauer“ durch Dampfreformierung von Erdgas mit CO2-Abscheidung, „grüner“ durch Elektrolyse von Wasser mit erneuerbarer Energie, „pinkfarbener“ durch Elektrolyse mithilfe von Atomstrom usw.

So richtig glücklich ist damit niemand. Abgesehen davon, dass Wasserstoff in jedem Fall ein farbloses Gas ist, kritisiert etwa die Internationale Energieagentur (IEA), dass die Farbbezeichnungen mehr Unterschiede verdecken als Gemeinsamkeiten beschreiben. In einer Studie wurde nun nachgewiesen, dass sowohl die Kosten der Herstellung als auch die damit verbundenen Treibhausgasemissionen innerhalb der Farbgruppen stark variieren. So müssten z. B. die je nach Region sehr unterschiedlichen Methanverluste bei Erdgasförderung und -transport einberechnet werden. Elektrolyseure, die (etwa bei Mangel an „grünem“ Strom) möglicherweise mit einem durchschnittlichen Strommix aus dem Netz betrieben werden, können genauso hohe CO2-Emissionen verursachen wie eine Herstellung aus Kohle. Die Umweltfreundlichkeit der Wasserstoffproduktion aus Biomasse wiederum hängt stark von den verwendeten Rohstoffen ab. Und selbst wenn ausschließlich Solar- oder Windstrom verwendet werden, ist das nicht emissionsfrei – wegen der Energie, die beim Bau der Anlagen verbraucht wurde. Die IEA schlägt daher ein neues, wirklich aussagekräftiges Kennzeichnungssystem vor.

Dies wird immer dringlicher. Denn ständig tauchen neue Verfahren auf. Wie indische Forschende um Narasiman Nirmala (Sathyabama Institute of Science and Technology, Chennai) kürzlich berichteten, gibt es bei der Produktion von Wasserstoff aus organischen Reststoffen durch Mikroorganismen große Fortschritte – sodass Biowasserstoff in absehbarer Zeit konkurrenzfähig werden könnte (Science of the Total Environment 896: 165143). Welche Farbe dieser Wasserstoff wohl bekommen wird? „Grün“ ist ja schon vergeben …

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

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