Meinungsfreiheit

EU-Richtlinie gegen Einschüchterungsklagen biegt in die Zielgerade

Die Statue der Justitia im Justizpalast in Wien
Die Statue der Justitia im Justizpalast in WienDie Presse
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Das EU-Parlament hat am Dienstag einen Richtlinien-Entwurf als offizielle Position beschlossen. Damit soll Meinungs- und Medienfreiheit besser geschützt werden. Trotzdem werden nicht alle Verfahren verhindert werden können.

Ein kritischer Bericht einer Investigativ-Journalistin über interne Missstände, eine plakative Aktion einer Tierschutz- oder Umweltorganisation vor den Toren einer Fleisch verarbeitenden Fabrik: Im ungünstigsten Fall kann das genügen, um eine Prozesslawine loszutreten, in deren Verlauf Beklagte an den Rand des finanziellen Ruins gedrückt werden.

In Zukunft soll es ein derartiges Szenario nicht mehr geben. Denn die EU hat eine Richtlinie auf den Weg gebracht, die „Slapp“-Klagen einen Riegel vorschieben sollen. „Slapp“ steht für „Strategic Lawsuits Against Public Participation“, bedeutet aber auch Schlag. Das EU-Parlament hat am Dienstag den Entwurf für eine entsprechende Richtlinie zum Schutz von Organisationen und Menschen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren, beschlossen. Medien und Journalisten sind ausdrücklich in die Geltung einbezogen.

Weite Auslegung erwünscht

Im EU-Parlament bearbeitet hat das Thema Tiemo Wölken, Sozialdemokrat aus Deutschland. Die Kommission hatte einen scharf formulierten Entwurf vorgelegt, der Rat - die EU-Innenminister - ihn verwässert, das Parlament nun wieder verschärft. Demnach, so die Parlaments-Position, soll die Richtlinie weit ausgelegt werden.

Festgeschrieben ist auch Schadenersatz (materiell, wie auch immateriell). Ersetzt wir der Schaden allerdings erst im Nachhinein. „Deshalb“, so Tara Hadviger, Sprecherin von Wölken, „ist die Bestimmung wichtig, dass die Mitgliedsstaaten ein Register veröffentlichen, das Anlaufstellen enthält, wo es kostenlose Unterstützung für die Betroffenen von Slapp-Klagen gibt.“ Jedenfalls: Aus den Definitionen geht klar hervor, dass Anwaltskosten in einen Schadenersatz-Anspruch, so er einmal zugesprochen wird, inkludiert sind.

Jedes Mitgliedsland ist außerdem verpflichtet, öffentlich zugängliche Register von Slapp-Verfahren zu führen. Tauchen Kläger öfter auf, so soll dies eine Auswirkung auf die Spruchpraxis haben.

Auf Basis der Parlaments-Position soll es auch möglich sein, beschleunigte Verfahren abzuwickeln, dass heißt im kurzen Wege festzustellen, dass eine Einschüchterungs-Klage vorliegt (und in der Folge eingestellt werden kann). In diesem beschleunigten Verfahren soll der klagsführenden Partei auferlegt werden, dass ein gegenständliches Verfahren keine Slapp-Klage sei, sondern substanziellen Inhalts.

Brandschutzmauer gegen Boulevard

Erwägungsgrund 19 definiert auch die Rolle von Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, deutlicher: „Tätigkeiten einer Person oder Einrichtung, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen oder von öffentlichem Interesse sind, gelten auch als Angelegenheit von öffentlichem Interesse, an denen die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse haben kann.“

Allerdings gibt es auch eine Brandschutzmauer gegen Übergriffe von Boulevard-Medien. Die sieht so aus: „Ein berechtigtes Interesse liegt jedoch nicht vor, wenn der einzige Zweck einer Aussage oder Tätigkeit in Bezug auf eine solche Person oder Einrichtung darin besteht, die Neugier eines bestimmten Publikums auf Einzelheiten des Privatlebens einer Person zu befriedigen.“

Eine Möglichkeit, im Fall von Slapp-Klagen den Europäischen Gerichtshof direkt anzurufen gibt es nicht. Allerdings können in einem nationalen Verfahren Richter und Senate den EuGH um eine Interpretation aufgrund der Richtlinie bitten.

Die Richtlinie geht nun in die Endverhandlung, ehe sie endgültig beschlossen und veröffentlicht wird. Es scheint, als sei sie dem EU-Parlament ein besonderes Anliegen. im nun beschlossenen Entwurf ist eine Umsetzungsperiode in das jeweilige nationale Recht von lediglich einem Jahr zulässig. Bei den meisten anderen Richtlinien werden den Mitgliedsstaaten zwei Jahre für die Umsetzung eingeräumt.

Der Fall des Kärntner Investigativ-Journalisten Franz Miklautz (https://mediapartizan.at) wäre durch die Richtlinie, wäre sie bereits in Geltung, vermutlich nicht abgedeckt gewesen. Gegen ihn waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eingeleitet worden, nachdem er Berichte über Supergagen im Klagenfurter Rathaus berichtet hatte. Die entsprechenden Unterlagen waren ihm zugesteckt worden. Die Ermittlungen wurden mittlerweile eingestellt.

„Problem der Rechtsstaatlichkeit“

Wenn der Start selbst gegen kritische Berichterstattung oder zivilgesellschaftliches Engagement vorgeht, dann ist dies durch die Richtlinie nicht abgedeckt. Dazu Tara Hadviger: „Hier muss betont werden, dass wenn innerstaatliche Behörden die Slapp-Klagen vorantreiben, wir nicht nur ein rechtsmissbräuchliches System vorfinden, sondern allgemein ein Problem der Rechtstaatlichkeit haben. Da wird eine Richtlinie nicht viel dran ändern können. Es ist ein essenzielles Problem.“

Eine Variante wäre in einem derartigen Fall, ein Gerichtsverfahren durch die Instanzen der nationalen Gerichtsbarkeit zu fechten, um dann den EuGH anzurufen. Möglich ist auch, dass die EU ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet.

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