Leitartikel

Der sinnlose Kulturkampf zwischen den Äckern

Bis 2030 sollen 20 Prozent der belasteten Böden in der EU saniert werden (Archivbild).
Bis 2030 sollen 20 Prozent der belasteten Böden in der EU saniert werden (Archivbild). Thomas Imo/Getty Images
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Europas Christdemokraten haben sich mit ihrer Fundamentalopposition gegen die Renaturierung zwischen Agrarinteressen und Klimaschutz verrannt. 

Es zeugt nicht gerade von Charakterstärke, sich für einen neuen Haarschnitt zu entscheiden, dann aber im Friseursalon darauf zu bestehen, dass weder vorn noch auf der Seite, schon gar nicht hinten geschnitten werden darf. Da bleibt dann nämlich nur noch das Auffrisieren, und der Kopf sieht bald genauso fransig aus wie zuvor. Ein ähnliches Bild gibt derzeit die europäische Klimapolitik ab. Als 2019 die neuen ehrgeizigen EU-Klimaziele beschlossen wurden, ließen sich die EU-Regierungen und ihre politischen Parteien noch für ihre Entschlossenheit feiern. Jetzt aber, da es um die Umsetzung geht, wächst bei immer mehr Gesetzesvorhaben ihr Widerstand. Nein, vorn nicht, auf der Seite nicht, hinten nicht.

Die rechtspopulistischen Parteien der EU waren stets dagegen. Insoweit war ihre Position auch bei der nun vollzogenen Abstimmung über das neue Renaturierungsgesetz im Europäischen Parlament zumindest konsistent. Sie wollen auf EU-Ebene generell keine Lösungen mittragen, setzen auf rein nationales Handeln, selbst wenn das bei grenzüberschreitenden Themen wie dem Klimaschutz keinen Sinn ergibt. Doch seit Monaten betreiben auch die Europäische Volkspartei (EVP) und Teile der Liberalen einen solchen fundamentalen Widerstand. Zuerst versuchten sie erfolglos, das Aus für Verbrennungsmotoren zu verhindern – nach dem Motto „Nur kein Einschnitt bei unseren Autos“. Nun boykottieren sie einstweilen ebenso erfolglos die Sanierung der Böden und Meeresgebiete Europas.

„Wir dürfen die Bauern nicht verlieren“, argumentierte die christdemokratische Führung ihre ablehnende Haltung gegen dieses Renaturierungsgesetz. Einen offenen Brief von 6000 Wissenschaftlern, einen Appell zahlreicher großer Industriebetriebe und Lebensmittelproduzenten ignorierte sie. Stattdessen wurden Mythen von der „gefährdeten Ernährungs­sicherheit“ und von der „Enteignung der Bauern“ verbreitet, die einer sachlichen Debatte nicht standhielten. Dass viele kleinere Agrarbetriebe anders denken, hat für die EVP-Fraktion im EU-Parlament ebenfalls keine Rolle gespielt.

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