Wort der Woche

Dekarbonisierung

Die Dekarbonisierung des Flugverkehr ist eine harte Nuss. Derzeit gebe es keine realistischen Optionen, meinen Forschende – außer, dass wir weniger fliegen. 

Es wird wieder fast so viel geflogen wie vor der Corona-Krise – und auch wieder so viel Abgas ausgestoßen wie zuvor, nämlich rund 2,5 Prozent der gesamten weltweiten CO2-Emissionen. Auf Druck von Politik und Fluggästen haben sich Fluglinien dazu verpflichtet, deutlich klimafreundlicher zu werden. Das ist bei Flugzeugen allerdings viel schwieriger als bei anderen Fortbewegungsmitteln.

Eine internationale Forschendengruppe um Frederico Afonso (Uni Lisboa) bezeichnete kürzlich die Dekarbonisierung des Flugverkehrs als „Herkulesaufgabe“: Keine einzelne Technologie allein reiche dafür aus, vielmehr müssten alle Möglichkeiten bei Antriebssystemen, Energiequellen, Konstruktion, Materialien und Aerodynamik ausgeschöpft werden (Progress in Aerospace Sciences 137: 100878). An vielen Technologien, z. B. an Batterie- bzw. Hybridantrieben oder an Wasserstoff, wird zwar intensiv geforscht, aber es wird noch Jahre dauern, bis solche Alternativen einsatzfähig sind.

So bleiben derzeit nur wenige Optionen für klimaneutrales Fliegen. Diese haben nun Forschende um Romain Sacchi (Paul Scherrer Institut, Schweiz) einer umfassenden Analyse unterzogen. Bei Option eins werden Flugzeuge weiterhin mit (fossilem) Kerosin betrieben, das entstehende CO2 wird aber aus der Luft gefiltert und in geologische Lagerstätten gepresst (zuzüglich des Treibhausgasäquivalents für weitere Klimawirkungen des Fliegens, wie etwa Wasserdampf- und Stickoxidemissionen in großer Höhe, die zur Wolkenbildung führen). Auch Option zwei sieht eine CO2-Abscheidung aus der Luft vor, allerdings wird daraus mithilfe von „grünem“ Wasserstoff ein synthetischer Flugzeugtreibstoff hergestellt – wodurch der Kohlenstoffkreislauf geschlossen wird; die theoretische Möglichkeit, Biokerosin zu tanken, wird mangels verfügbarer Biomasse-Ressourcen nicht weiter betrachtet.

Das Ergebnis der Analyse ist sehr ernüchternd: Für Option eins wären CO2-Speicherkapazitäten, die größer als die norwegischen Erdgaslagerstätten sind, erforderlich – ein Ding der Unmöglichkeit. Und für Option zwei wäre zumindest so viel zusätzlicher „grüner“ Strom nötig, wie die EU insgesamt verbraucht (Nature Communications, 6.7.).

Das Fazit dieser rein physikalischen Betrachtung: Die einzige kurz- bis mittelfristige Möglichkeit, den Flugverkehr deutlich klimaschonender zu machen, ist es, weniger zu fliegen. Dies würde uns überdies die nötige Zeit verschaffen, um langfristig klimaneutrale Technologien zu entwickeln.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

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