Ukraine-Krieg

Russische „Geisterflotte“ wird zur Gefahr für die Ostsee

Schiffe der russischen Armee bei einer Patrouille in der Ostsee.
Schiffe der russischen Armee bei einer Patrouille in der Ostsee.Reuters/Russian Defence Ministry
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Um westliche Sanktionen zu umgehen, setzt der Kreml auf baufällige Öltanker dubioser Reedereien. Experten warnen vor einem Unglück, das katastrophale Folgen für das sensible Ökosystem der Ostsee hätte.

In der Ostsee fahren immer häufiger russische Öltanker, die sich in einem schlechten Zustand befinden, berichtet der Schweizer Rundfunk SRF unter Berufung auf die schwedische Küstenwache. Die riesigen Schiffe erfüllten die Sicherheitsbestimmungen nicht, heißt es von der Behörde, die mit Flugzeugen die Teile der Ostsee überwacht.

Die Tanker laufen über internationale Gewässer russische Raffinerien in Sankt Petersburg an. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat der Westen Sanktionen verhängt. Die USA, die EU, Großbritannien, Japan und andere Staaten beschlossen außer einem Importverbot für russisches Rohöl auch eine Preisobergrenze für russische Rohöllieferungen in Drittstaaten – etwa Indien oder China, die nun Hauptabnehmer russischen Erdöls geworden sind und keine Sanktionen gegen Russland verhängt haben.

Nur mehr wenige Reedereien sind daher gewillt, russisches Erdöl zu verschiffen. Die Besitzverhältnisse sind undurchsichtig, oft handelt es sich um Briefkastenfirmen mit Sitz im Nahen Osten oder Asien. Der SRF berichtet von Unternehmen aus Liberia, die „Financial Times“ hat eine Reederei aus Bombay (Mumbai) identifiziert, die „Washington Post“ schreibt von Tankern in vietnamesischer Hand. Viele der Schiffe schalten ihre Transponder aus, um nicht geortet werden zu können. Medien schreiben daher auch von Russlands „Geisterflotte“, die bereits eine beachtliche Größe hat: Von bis zu mehreren Hundert Schiffen ist die Rede.

Geht Moskau absichtliches Risiko ein?

Nicht nur die Besitzverhältnisse sind dubios, sondern auch der Zustand der Schiffe ist zweifelhaft. Für die Ölexporte über die Ostsee, zu deren Anrainerstaaten außer Russland auch Finnland, Schweden, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Dänemark und Deutschland zählen, verwenden die Unternehmen alte, baufällige Tankschiffe. Zusätzlich gibt es Befürchtungen, dass die Besatzung zu wenig Erfahrung habe, um sicher durch die engen, seichten und vereisten Wasserwege in der Ostsee manövrieren zu können.

Experten warnen daher vor den ökologischen Folgen, sollte ein Schiff der maroden russischen Erdölflotte in Seenot geraten. „Es ist nicht auszuschließen, dass Moskau das Risiko einer Umweltkatastrophe in der Ostsee eingeht – als Teil seiner hybriden Kriegsführung gegen den Westen“, spekuliert der finnische Geopolitik-Experte Veli-Pekka Tynkkynen sogar im Interview mit SRF.

Die Ostsee gerät durch Abwässer und Industrieprojekte zusätzlich unter Druck

Die Ostsee ist allein aufgrund ihrer natürlichen Gegebenheiten ein sehr sensibles Ökosystem. Sie ist das größte Brackwassermeer der Erde, das heißt, es gibt dort eine Mischung aus Süß- und Salzwasser. Ursprünglich war die Ostsee ein reines Süßwassermeer. Über die Verbindung zur Nordsee gibt es nur einen eingeschränkten Wasseraustausch mit den salzhaltigen Weltmeeren. Die westliche Ostsee ist salziger als der östliche Bereich. Es gibt nur wenige Organismen und Lebewesen, die mit dieser unterschiedlichen Salzkonzentration umgehen können.

Die Ableitung von Abwässern der Anrainerstaaten, Industrieprojekte wie der Kiesabbau, Offshore-Windanlagen oder Pipelines setzen die Natur zusätzlich unter Druck. Ein Tankerunglück hätte daher katastrophale Folgen für das Meer und die Küstengebiete.

Wer zahlt? Eine Frage der Versicherung

Hinzu kommt, dass die Tanker nicht ausreichend versichert sein könnten, berichtet die „Washington Post“. Wer für die Schadensbekämpfung im Fall eines Öl-Lecks zahlen soll, ist daher unklar. Denn die wenigen Versicherungen, die bisher Teile der Kosten von Rettungsarbeiten nach Umweltkatastrophen übernommen haben, sind allesamt in Ländern angesiedelt, die sich an die westlichen Sanktionen gegen Russland halten. (me)

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