Illegaler Grenzübertritt

Wer ist der Soldat, der von Süd- nach Nordkorea geflohen ist?

Archivbild von der militärischen Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea in Panmunjom
Archivbild von der militärischen Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea in PanmunjomAFP/ANTHONY WALLACE
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Ein amerikanischer Soldat soll ohne Genehmigung die militärische Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea überquert haben und sich in Nordkorea abgesetzt haben. Dort befindet er sich nun offenbar in Gewahrsam.

Der nach einem Grenzübertritt von Süd- nach Nordkorea vermutlich in nordkoreanischem Gewahrsam sitzende US-Soldat ist zuvor in Südkorea im Gefängnis gewesen. Nach Angaben eines Beamten in Seoul war der Mann wegen Vorwürfen der Körperverletzung rund zwei Monate inhaftiert. Er sei am 10. Juli freigelassen worden, sagte der Beamte am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Der Soldat hatte bei einer Besichtigungstour die stark gesicherte Grenze von Süd- nach Nordkorea übertreten.

Dies sei „absichtlich und ohne Erlaubnis“ geschehen, erklärte ein Sprecher der US-Streitkräfte am Dienstag. Er befinde sich nun vermutlich in nordkoreanischem Gewahrsam. Der Vorfall könnte die angespannten Beziehungen zwischen Washington und Pjöngjang weiter verschärfen.

Auch das UNO-Kommando in dem Gebiet erklärte, ein US-Bürger habe die Grenze überquert und befinde sich vermutlich in nordkoreanischem Gewahrsam. Die US-Streitkräfte und das UNO-Kommando kündigten an, mit den nordkoreanischen Streitkräften zusammenzuarbeiten, um den Vorfall zu klären.

Aus „disziplinarischen Gründen“ außer Land gebracht

Bei dem Soldaten handelt es sich nach Angaben des US-Militärs um einen Mann, der seit 2021 in der Armee ist. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte, Washington beobachte und untersuche die Situation genau.

Die südkoreanische Polizei erklärte, gegen den Mann sei im September 2022 wegen Körperverletzung ermittelt worden. Zu der Zeit wurde er den Angaben zufolge jedoch nicht festgenommen.

Der US-Sender CBS berichtete, der Soldat hätte aus disziplinarischen Gründen aus dem Land gebracht werden sollen. Es sei ihm aber nach Passieren der Sicherheitskontrollen am Flughafen gelungen, umzukehren und sich einer Besuchergruppe in die Demilitarisierte Zone (DMZ) anzuschließen.

Ein Augenzeuge, der nach eigenen Angaben an derselben Besichtigungstour teilnahm, sagte CBS, die Gruppe habe eines der Gebäude auf dem Gelände besucht, als „dieser Mann laut ‚Ha-ha-ha‘ ruft und einfach zwischen einigen Gebäuden hindurchläuft“. „Zuerst dachte ich, es sei ein schlechter Witz, aber als er nicht zurückkam, wurde mir klar, dass es kein Witz war“, sagte der Zeuge.

Potenzial für diplomatische Probleme?

Südkorea und Nordkorea befinden sich bis heute formal im Kriegszustand, weil nach dem Koreakrieg von 1950 bis 1953 kein Friedensvertrag geschlossen wurde. Seit Kriegsende trennt eine Demilitarisierte Zone die beiden koreanischen Staaten. Die an den Grenzstreifen angrenzenden Gebiete werden streng bewacht. Die Demilitarisierte Zone ist gleichzeitig ein beliebtes Touristenziel. Jeden Tag besichtigen hunderte Besucher das Gebiet auf der südkoreanischen Seite.

Nordkorea hatte seine Grenzen zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 abgeriegelt und bis heute nicht wieder geöffnet. Auch die Präsenz von Sicherheitspersonal auf der nordkoreanischen Seite der gemeinsamen Sicherheitszone in der Demilitarisierten Zone wurde deutlich reduziert.

Die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea sind auf einem historischen Tiefpunkt. Südkorea gehört zu den Verbündeten der USA, das kommunistische Nordkorea zählt die Vereinigten Staaten zu seinen größten Feinden.

Nordkorea feuert ballistische Kurzstreckenraketen ab

Am frühen Mittwoch feuerte Nordkorea nach Angaben des südkoreanischen Militärs zwei ballistische Kurzstreckenraketen ab. Sie seien im Ostmeer gelandet, das auch als Japanisches Meer bekannt ist. Mutmaßlich handelte es sich um eine Reaktion auf die Stationierung eines mit Atomwaffen bestückten U-Boots der US-Marine in Südkorea, die die USA am Dienstag verkündet hatten.

Pjöngjangs jüngste Raketenstarts hätten „wahrscheinlich nichts“ mit dem Grenzübertritt des jungen US-Soldaten zu tun, zitierte der britische Sender BBC Leif-Eric Easley von der Ewha-Universität in Seoul. Das nordkoreanische Regime habe tagelang Unmut über den Plan des US-Verteidigungsministeriums geäußert, ein atomar bewaffnetes U-Boot nach Südkorea zu schicken, berichtete die „New York Times“.

Die einflussreiche Schwester des Machthabers Kim Jong-un, Kim Yo-jong, hatte laut dem US-Fernsehsender CNN zu Wochenbeginn erklärt, die Stationierung eines US-U-Boots mit ballistischen Raketen auf der Halbinsel würde die ohnehin schon zerrütteten Kommunikationslinien zwischen den beiden Seiten beschädigen. Sie hatte schon zuvor auf die verstärkte militärische Zusammenarbeit der USA mit Südkorea mit Drohungen und Beschimpfungen des US-Präsidenten Joe Biden reagiert.

Grenzübertritt als „militärische Bedrohung“

Den jüngsten Grenzübertritt eines US-Soldaten betrachte das Regime in Nordkorea vermutlich „als militärische, nachrichtendienstliche und gesundheitliche Bedrohung“, so Easley. Wahrscheinlicher aber sei, dass der Mann aufgrund persönlicher Probleme „impulsiv“ gehandelt habe.

In den vergangenen Jahrzehnten überquerten schon mehrfach US-Amerikaner die Grenze zu Nordkorea ohne Erlaubnis. Dort wurden sie meist zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt und erst nach langen Verhandlungen wieder freigelassen. (APA/AFP/dpa)

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