Morgenglosse

Die Rückkehr des Jan Marsalek: Fake oder Verzweifelung?

Ist der ehemalige Wirecard-Finanzvorstand wirklich wieder zurück?
Ist der ehemalige Wirecard-Finanzvorstand wirklich wieder zurück? Getty Images/Thomas Kronsteiner
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Seit der Pleite von Wirecard im Jahr 2020 ist der ehemalige Finanzvorstand untergetaucht. Um seinen Verbleib ranken sich viele Gerüchte. Nun stützt er in einem Brief die Aussagen seines ehemaligen Chefs, Markus Braun. Aber warum? Und warum jetzt?

Er ist wieder da - zumindest per Brief. Drei Jahre lang war der Hauptverdächtige im Wirecard-Skandal, Jan Marsalek, untergetaucht. Der Ex-Finanzvorstand gilt als der Drahtzieher beim Aufstieg und Fall des Milliardenkonzerns, der im größten Skandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte endete. Etliche Politiker und Beamte standen dem früheren DAX-Konzern zur Seite. Für Kritiker und Aufdecker hagelte es Klagen, bis der Konzern im Juni 2020 pleite ging.

Nun hat sich der gebürtige Wiener laut der „Wirtschaftswoche“ überraschend per Anwalt bei der Münchner Justiz gemeldet. Bisher ging man davon aus, dass er sich in Russland aufhält. Kurz gesagt, unterstützt er die Aussagen seines ehemaligen Chefs, Markus Braun und stellt den Kronzeugen der Staatsanwaltschaft als Lügner dar. Selbst Menschen, die den seit mehr als sieben Monate laufenden Prozess nicht engmaschig verfolgen, dürfte das skurril erscheinen. Umso mehr äußerte die Rechtsvertretung des Kronzeugen, der bisher Braun schwer belastet hat, ihre Skepsis. So sagte Florian Eder: „Man kann viel schreiben und viel sagen, man muss aber nicht alles glauben“.

Was wäre Marsaleks Strategie?

Warum sollte sich ein international gesuchter Wirtschaftskrimineller, dem es auf spektakuläre Weise gelungen ist, zu flüchten und drei Jahre unentdeckt zu bleiben, sich so banal zu dem Thema äußern? Auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe geht er gar nicht ein. Aber praktischerweise habe er sich zu dem Drittpartnergeschäft des insolventen Bezahldienstleisters geäußert – und meint dazu, dass dieses existiert habe. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es dieses Geschäft nicht gab – Braun hingegen behauptet, es habe existiert. Der Ex-Chef stellt sich vor Gericht bisher als großes Opfer einer Intrige dar. Und schiebt dabei die Schuld auch auf Marsalek.

Freundschaftliche Gefühle gegenüber Braun kommen als Motiv also eher nicht infrage. Dafür wäre es auch etwas spät. Der 54-Jährige schleppt sich seit mehr als einem halben Jahr jeden Prozesstag von seiner Zelle in der JVA München Stadelheim mit Laptop unterm Arm und dunklem Rollkragenpulli in den Gerichtssaal. Und das nach zwei Jahren Untersuchungshaft.

Keiner will Schuld sein

Sollte das Schreiben wirklich authentisch sein, deutet es wohl eher daraufhin, dass es ihm in Russland zu ungemütlich wird. Könnte Marsalek, der immer für einen Überraschungseffekt gut war, den ganzen Spieß umdrehen und zum neuen Kronzeugen avancieren? Dafür müsste er der Staatsanwaltschaft aber Schuldige liefern und nicht ihre ganze Strategie zerschlagen.

»Mich interessiert nicht, was irgendjemand von irgendwoher schriftlich mitzuteilen glaubt.«

Nicolas Frühsorger

Verteidiger des Kronzeugen

Bisher will nämlich keiner schuld sein. Auch die ehemalige Vorstandskollegin, Susanne Steidl, die damals bei Wirecard für die Produktentwicklung verantwortlich war, will nicht in die kriminellen Geschäfte eingeweiht gewesen sein. Die Managerin stammt auch wie Braun und Marsalek aus Österreich. Ihre Aussage ist für Mittwoch und Donnerstag (19. und 20.7.) angesetzt. Befragt wurden bisher jede Menge Ex-Verantwortliche von Wirecard - darunter ehemalige Assistentin des Finanzvorstands, der Vizepräsident des Marketings, Head of Investor Relations, die Leiterin der Rechtsabteilung und Mitarbeiter bei der Compliance und dem Controlling. Keiner will Schuld sein. Braun habe von nichts gewusst. Und Marsalek kann, solange er nicht gefasst ist, nicht geklagt werden. Vielleicht kommt man ihm auch langsam auf die Spur und er braucht einen Verhandlungsplan. Doch das sind alles nur Spekulationen.

Wird der Ex-Finanzvorstand von Wirecard aussagen?

Vor Gericht dürfte das Schreiben erst einmal wenig wert sein, wie ein weiterer Verteidiger des Kronzeugen, Nicolas Frühsorger, gegenüber der „Bild“ sagt: „Mich interessiert nicht, was irgendjemand von irgendwoher schriftlich mitzuteilen glaubt. Sollte es sich hierbei tatsächlich um ein Statement von Herrn Marsalek handeln, was wir schon gar nicht nachprüfen können, soll er sich dem Verfahren und seiner Verantwortung – wie es unser Mandant im Übrigen auch getan hat – stellen und vor Gericht aussagen.“

Man wird sehen, ob es wirklich zu einer Aussage von Marsalekt kommt. Das wäre natürlich der größte Knalleffekt.

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